An
dieser unvollendeten religionsphilosophischen Schrift, im November
1940 von der Priorin des Karmels anläßlich des 400. Geburtstags
des Kirchenlehrers in Auftrag gegeben, arbeitete Edith Stein bis
zum Tage ihrer Verhaftung.
Joannes a
Cruce (1542-1591), spanischer Heiliger und bedeutendster theologischer
Systematiker der Mystik in der Neuzeit, stammte aus verarmtem Adelsgeschlecht
und trat 1563 dem Karmeliterkonvent bei. Er studierte Philosophie
und Theologie in Salamanca und wurde 1568 zum Priester geweiht.
Unzufrieden mit der laxen Ordenspraxis schloß er sich schließlich
der Bewegung um Teresa von Ávila an, mit der ihn eine enge
Freundschaft verband, und begann, die klösterliche Bruderschaft
zu erneuern. In der Auseinandersetzung zwischen reformierten und
nicht-reformierten Karmelitern wurde er 1577 im Kloster zu Toledo
neun Monate lang, bis zu seiner Flucht 1578, unter unmenschlichen
Bedingungen gefangengehalten. Hier schrieb er seine ersten mystischen
Gedichte von hohem literarischen Wert, aus denen er später
seine Mystik-Lehre entwickelte. Zu seinen Hauptwerken zählen
"Der Aufstieg zum Berge Karmel", in dem die aktive, sowie
die "Dunkle Nacht der Seele", in welchem hingegen die
passive Läuterung der Seele thematisiert wird. Von der höchsten
Vereinigung mit Gott in der Selbstaufgabe, dem eigentlichen Sinn
menschlichen Daseins - symbolisiert durch die Symbole Nacht und
Kreuz - , handeln die Schriften Lebendige Liebesflamme und Geistlicher
Gesang.
Edith Steins
Studie stellt einen spekulativen Wegweiser zum Kreuz dar. Sie umfaßt
"eine tiefgehende Deutung der Kreuzeslehre, ein persönliches
Bekenntnis und eine moderne Darstellung des hl. Johannes".
Die Verfasserin benutzt ihre Ausführungen über den Kirchenlehrer
des weiteren dazu, ganz im Sinne ihrer lebenslangen ontologischen
Bemühungen, eine "Philosophie der Person"
aufzuzeigen und so ihre eigenen Ideen über "Ich, Freiheit
und Person" zu entwickeln.
Zentrales Symbol
der Abhandlung ist das Kreuz, das auch in Edith Steins Leben
eine Schlüsselstellung innehat. Nicht zufällig wählte
sie den Ordensnamen 'a Cruce' und akzeptierte damit die Gedanken
des Erduldens und Opferns - im Sinne einer Teilhabe am
Leiden Christi - als ihr ureigenes Schicksal. Dies bedeutet für
sie die mystische Vereinigung mit Gott in der Selbstaufgabe, zugleich
aber auch die höchste Form der Selbstfindung.
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