Hanna Rademacher
1881 – 1979

Hanna Rademacher: Biografie

1881 Als sechstes Kind des bekannten Verlagsbuchhändlers Wilhelm Leuchs und seiner Frau Lina, geb. Meister, kam sie am 15. Dezember in Nürnberg zur Welt. Sie wuchs in einer weltoffenen, großbürgerlichen Atmosphäre auf. Zunächst war sie in Nürnberg Schülerin des Port'schen Instituts, dann ging sie nach Friedrichshafen ins Paulinenstift und schließlich ins Lohmannsche Institut. Mit 12 Jahren schrieb sie ihr erstes Drama „Odin, Tor und Freya“. Daneben entstanden Gedichte und Erzählungen. Der Privatunterricht des Altphilologen Dr. Schunck lenkte Hanna Leuchs zur klassischen Dramenliteratur hin und vermittelte ihr die Liebe zum Humanismus.


1899-1902 An der Münchner Universität hörte sie Vorlesungen bei den Professoren Furtwängler (Archäologie), von Heigel (Geschichte) und Muncker (Germanistik). In ihrem ersten Münchner Jahr verfasste sie das historische Schauspiel „Ulrich von Hutten“ und das Gesellschaftsdrama „Hertha“.

Zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Franz Muncker und dessen Frau unternahm Hanna Leuchs 1901 Reisen in die Schweiz und nach Italien. Sie schrieb das Drama „Dämon“ und reiste im folgenden Jahr nach Dänemark, Schweden und Norwegen. Ihre Märchenoper „Dornröschen“ wurde am 13. April 1902 im Stadttheater Nürnberg aufgeführt.

Heirat mit dem Oberingenieur Ernst Rademacher. 1904 kam der Sohn Hans Carl in Berlin auf die Welt; 1905 wurde der Sohn Ernst geboren. Die Familie zog nach Leipzig.


1911-12 Im Verlag von Ernst Rowohlt in Leipzig erschien das Drama „Johanna von Neapel“, das eine Frau im Zwiespalt zwischen Liebe und Macht zeigt. Ein Jahr später inszenierte Matersteig das Stück im Stadttheater Leipzig. „Ein echtes Renaissanceschicksal, in packender Sprache, den rauhen Lauten des Mittelalters dargestellt, im Rahmen knapper, streng gefaßter Szenen. Der Erfolg war stark und unbestritten“ urteilte die „Deutsche Tageszeitung“ in Berlin.


1914 Hanna Rademacher zog mit ihrer Familie nach Düsseldorf in die Venloerstraße 22. Das Drama „Golo und Genovefa“ erschien bei Kurt Wolff in Leipzig.


1920-23 In „Utopia“ werden kommunistische und pazifistische Tendenzen der Zeit in die Antike transponiert und satirisch behandelt. Drei Jahre nach dem Druck erlebte das „heitere Spiel“ im Neuen Schauspielhaus in Königsberg seine Uraufführung und erfuhr durchaus Widerspruch: „ein Kuriosum, eine unpolitische Satire auf eine politische Angelegenheit“ („Literarisches Echo“, Berlin, H. 5, 1924).

„Golo und Genovefa“ wurde ebenfalls 1923 uraufgeführt, am 15. Januar im Stadttheater Saarbrücken: „Die Handlung ist wuchtig, gut aufgebaut und durchgeführt; die Charaktere sind lebensvoll gezeichnet, die Sprache ist von vollendeter Schönheit.“ („Landeszeitung Saarbrücken“). Im gleichen Jahr erschien ein weiteres Renaissance-Drama, „Rosamunde“, im Verlag des Ehemanns, in dem auch die nächsten Stücke ediert wurden.


1925 Das Schauspiel um den großen Humanisten „Wilibald Pirckheimer“, bereits ein Jahr zuvor gedruckt, wurde unter der Regie von Eugen Herbert-Kuchenbuch am 27. April im Stadttheater Bochum uraufgeführt. Dem Zeitgeist entsprach ein deutschnationaler Zug des Stücks. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ in Frankfurt drückte dies sehr deutlich aus: „Im: Vordergrund der Handlung steht Nürnbergs bester Mann, Wilibald Pirckheimer, umtost von dem Gezänk der Parteibonzen seiner Vaterstadt. Er aber hat nur einen einzigen Leitspruch für sein Handeln: ,Nürnbergisch vor allem! Deutsch über allem!! Übt Treue euch und dem Vaterlande! Was nur einen Menschen, nur eine Stadt anzugehen scheint, wird ein Stück deutsches Schicksal.“

In den zwanziger Jahren pflegte Hanna Rademacher viele Freundschaften, so mit Walter Kordt, H. W. Keim und Karl Lehmann, mit der Vortragskünstlerin Amelie Trescher-Schier und mit der Autorin und Übersetzerin Maria Ewers aus'm Weerth.


1928 Im Deutschen Volkstheater in Charlottenburg wurde die Komödie „Haus der Freunde“ erstmals aufgeführt.


1932 Das Schauspiel „Cagliostro“ (1931 gedruckt) gelangte bei den Benrather Schloß-Spielen zur Uraufführung. Die „Düsseldorfer Nachrichten“ hoben das psychologische Interesse der Autorin hervor, die „mit sehr viel „ Feinsinn und Klugheit dem wirklichen Wesen dieses sonderbaren Menschen nachgespürt und die Hintergründe bloßgelegt hat, auf denen seine suggestive Persönlichkeit zum Hochstapler, seine Menschenkenntnis zur Zauberei, seine Gewandtheit zum Schwindel werden konnte“ (8. 7. 1932). Es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft mit der Vortragskünstlerin und Regisseurin Erika Müller-Benrath und der Kostümbildnerin und Malerin Hilde Viering.

In den „Fränkischen Monatsheften“ erschien die autobiographische Skizze „Meine Jugend in Franken“.


1936-38 Auf Veranlassung der NS-Frauenschaft Düsseldorf hielt Hanna Rademacher einen Vortrag über eine „heimatliche Frauengestalt“, über die ermordete Herzogin Jakobe von Baden als Opfer einer religiös-indoktrinierten Machtpolitik. Daraus entstand das Schauspiel „Jakobe von Baden“, das am 22. Juni 1938 zur 650-Jahrfeier der Stadt Düsseldorf im Schauspielhaus uraufgeführt wurde. Die „Westfälische Landeszeitung Rote Erde“ urteilte über die Umsetzung des Stoffs durch die Autorin wie folgt: „Nun hat sich auch eine der wenigen erfolgreichen deutschen Dramatikerinnen, Hanna Rademacher, des Stoffs (...) angenommen und ihn auf einer breiteren Ebene betont religiös-politisch entrollt, um gleichzeitig eine ebenso warmherzig-liebenswürdige Zeichnung des jungen unglücklichen Weibes zu geben, wie die hintergründigen Kräfte in einer nur denkbar grausen Schwärze festzulegen“.


1939 Die Autorin zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und lebte fortan in einem kleinen Ort im Sauerland, Fleckenberg, in ihrem Sommerhaus „Tors Hütte“. Eine Reihe weiterer Dramen entstanden, z. B. „Willkommen. Ein heiteres Spiel“ (1940) und ein Drama über die Königin Luise „Dem Genius Preußens“ (1942).


1951-73 Eine große Anzahl weiterer Dramen entstand, zumeist im Selbstverlag ediert. Wieder stehen Frauengestalten der Geschichte im Vordergrund, so in „Maria Theresia“ (ursprünglich „Im Licht der Ewigkeit“, 1961, mit 80 Jahren fertiggestellt), wo die spezifische Leistung der österreichischen Kaiserin zur Friedensbewahrung herausgestellt wird.

Einige Prosatexte haben sich im Nachlass als Manuskript erhalten (sie befinden sich im Fruaen-Kultur-Archiv): „Mechthilde von Magdeburg“ und „Anna Margarethe Fuggerin“. Mit 92 Jahren beendete sie ihre letzte Komödie „Schuß im Damenheim“.


1979 Hanna Rademacher starb am 31. Juli in ihrem 98. Lebensjahr. Ihr Grab befindet sich auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof.


1988 Im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Stadt Düsseldorf wurde von der Kleinen Oper Düsseldorf ein Musikalische Schauspiel „Jacobe“, nach Hanna Rademachers Drama zur Aufführung gebracht.


Text von Ariane Neuhaus-Koch