Yvonne Friedrichs Textforum

Abstrakte Gärten als Orte der Stille

Fujio Akais Aquarelle, Lithographien und Radierungen im Kunstmuseum

Seine Bilder entstehen ohne Konzept, frei, aus der malenden Hand. Sie wachsen ihm aus dem Unterbewußten zu, offen und gelöst, informel ?. Und doch sind sie von einer traumwandlerischen Ausgewogenheit und unverkrampften Disziplin. „Es ist eine schöne Zusammenarbeit zwischen dem Bild und mir. Ich entdecke mich in den Bildern“, meinte Fujio Akai anläßlich der Eröffnung seiner Ausstellung mit Aquarell-Bildern, Lithographien und übermalten Radierungen im Kunstmuseum am Ehrenhof.

Es ist eine von Ausstrahlung und Technik sehr kostbare, beglückende Schau, deren künstlerischer Rang sich erst näherer Betrachtung erschließt. Wie da die Schichten dünnhäutiger, durchsichtiger Farben, hauchzart, dann wieder zu höchster Intensität gesteigert, übereinanderliegen und einen illusionären, nur aus Farben gebauten Tiefenraum zaubern, grenzt ans Wunderbare.

Fujio Akai wurde 1945 auf Sumatra als Sohn eines japanischen Offiziers und einer indonesischen Mutter geboren und wuchs in der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto auf. Er kam schon 1964 nach Düsseldorf; zufällig, wie er erzählt, weil das Flugticket, das ihm ein Gönner schenkte, hier endete. Er war in den sechziger Jahren Schüler und Meisterschüler bei Sackenheim und Rupprecht Geiger an der Kunstakademie. Auch am Rhein fand er in Dr. Hans Lühdorf, dem bedeutenden Sammler japanischer Holzschnitte, einen Mäzen, wurde von Bernard Schultze und K.O. Götz gefördert. 1968 gründete er in Haarlem, wo er damals ein Atelier hatte, die „Greencompany“, die durch viele Kunstaktionen bekannt wurde. Erst in der Fremde hat sich Fujio Akai, wie viele junge japanische Künstler, die zu uns kamen, auf die traditionellen Werte seiner japanischen Heimat besonnen. In seinen Bildern fließt Fernöstliches und Westliches eigenartig ineinander.

Das lyrische Informel unserer Nachkriegszeit hat in Akais Aquarellen, darunter in den großen Formaten der letzten Jahre, den Duktus der ostasiatischen Kalligraphie angenommen und spiegelt, in einer sehr westlich gestimmten Farbigkeit, fernöstliche Philosophie und Geisteswelt. Alles ist da wie in dem großen Bild in Aquarell und Kreide „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ (1990) in strömender Bewegung begriffen, in ständiger Veränderung, aufschäumend in den Farben.

Natur, Landschaft, Pflanzlichkeit sind gegenwärtig, doch sie scheinen nur im phantastischen Spiel der Farben, der gestisch-abstrakten Strukturen auf. Ihre Kontraste warmer und kühler, lichter und dunkler Töne, von Bewegung und Gegenbewegung klingen zu einer großartigen Harmonie zusammen. Alles Fließen scheint in ihr zur Ruhe zu kommen und weist doch über den Bildrand hinaus vom Sichtbaren ins Unsichtbare. Gegenständliches zerfließt im Kosmischen. Fließen ist Leben. Das soll, so die ostasiatische Philosophie, auch einen inneren Wachstumsprozeß im Betrachter auslösen; Bildbetrachtung ist Meditation.

Da gibt es ein Aquarell, in dessen fast zentraler Rotfläche sich eine starke Energie sammelt. Alles kreist schwerelos schwebend glühend in Farben. Der Betrachter erlebt abstrakte Gärten, jene Orte der Stille in Japan, wo seit alters her die Verbindung zur Natur, Philosophie, Kunst in Gesprächen im Freundeskreis gepflegt wurde.

Keine harten Ecken und Kanten gibt es in diesen fließenden und doch ungezwungen so klar geordneten Bildern, in denen manchmal Gold- und Silberbronze aufschimmern.

Natur und Landschaft gaben auch die Anregung zu den mit Tuschen auf den Stein gemalten und in vielen Farbschichten gedruckten Lithographien der Serie „Die zwölf glückbringenden Monate“ und „Die sieben glückbringenden Tage“. Man staunt über den Phantasiereichtum und die Feinheit der Strukturen, auch in den zartgetönten, in schwebenden Pinselgesten den Raum anrührenden kleinen Aquarellen über Radierungen.

YVONNE FRIEDRICHS
In: Rheinische Post. Feuilleton, 15. Februar 1991