Yvonne Friedrichs Textforum

Als dänische Künstler in Düsseldorf studierten

„Malerei auf Bornholm“ im Stadtmuseum

Unter dem Patronat von Prinzessin Benedikte von Dänemark, einer Schwester der dänischen Königin, steht die Ausstellung im Stadtmuseum „Malerei auf Bornholm“. In ihr wird erstmals die vom besonderen Licht, von der reizvollen Landschaft und ihren Menschen angeregte moderne Malerei dieser Insel außerhalb von Dänemark gezeigt. Anlaß ist der 100. Geburtstag des Bornholmer Stadtmuseums, das aus diesem Grund einen Neubau bekommt und deshalb zur Zeit geschlossen ist. So konnten 40 Bilder aus der Zeit zwischen 1840 und 1950 nach Düsseldorf reisen.

Welche Überraschung! Es sind auch Werke von zwei dänischen Malern darunter - A.E. Kieldrup (1827-1869) und Viggo Feuerholdt (1832-1883) -, die im 19. Jahrhundert an der Düsseldorfer Kunstakademie studierten.

Museumsdirektor Wieland König nahm dies zum Anlaß, ein Forschungsprojekt über den Einfluß der Düsseldorfer Malerschule des 19. Jahrhunderts in Dänemark in Gang zu setzen. Ebenso will man versuchen, die Sammlung moderner und „entarteter“ Kunst des vor den Nazis nach Bornholm mit seinen Bildern emigrierten Hannoveraner Kunsthändlers Herbert von Carvens wieder in einer Ausstellung zusammenzubringen.

Es ist zu hoffen, daß im Gegenzug auch Düsseldorf in dem Bornholmer Museumsneubau eine Ausstellung mit in dieser Stadt entstandenen Bildern zeigen kann. Das Inselmuseum hat nicht nur eine beachtliche Sammlung unter anderem von prähistorisch-geologischen, naturhistorischen, keramischen, ethnographischen Objekten aufgebaut, sondern auch eine große Kollektion von Gemälden, Skulpturen, Graphiken, Kunsthandwerk, die alle auf Bornholm entstanden oder mit der Insel eng verbunden sind. Obwohl immer vom europäischen Kontinent, seinen Schulen und Stilen beeinflußt, bewahrten sie, besonders in der Moderne, viel Individuelles.

Die Bornholmer Inspiration

Schon im 19. Jahrhundert suchten immer wieder Künstler die abgeschiedene Insel Bornholm auf. Hat doch ihre Ostküste, ähnlich wie Skagen, das intensivste Licht in ganz Dänemark. Immer wieder bildeten sich Künstler-Kolonien. Die dänische Kunstgeschichte verzeichnet sogar seit 1911 eine „Bornholmer Schule“ oder „Bornholmer Inspiration“. Die frühen in der Ausstellung vertretenen Gemälde stehen freilich noch ganz unter dem Einfluß des europäischen Klassizismus und der deutschen Romantik. Amüsant ist das 1843 entstandene Gemälde „Die Malerschule in Göteborg“ des in Bornholm geborenen Lars Hansen. Ausschließlich junge Mädchen (!) zeichnen hier nach Gipsmodellen, darunter Thorvaldsens „Leier spielendem Amor“, auf den sich die ganze Aufmerksamkeit der jungen Kunststudentinnen konzentriert.

Der Bornholmer Landschaft wendet sich A.E. Kieldrup in seiner 1849 gemalten romantisch-idealistischen Ansicht von „Hammershus“, einer der größten mittelalterlichen Burgruinen Dänemarks auf Bornholm, zu. Vor dem Motiv hat er nur die Skizze gemacht und dann, getreu den Richtlinien der Düsseldorfer Malerschule im Atelier das Bild aus Einzelbeobachtungen in der Phantasie komponiert: Schon in erstaunlich lichten Plein-air-Farben. Auch Viggo Fauerholdt fängt das besondere Licht Bornholms in seiner Klippenlandschaft bei Gudjem an der Bornholmer Ostküste ein (1857).

Bahnbrecher der Moderne

Winzig ist die Rückenfigur des Hirten in Georg Emil Liebens grandiosen, dramatischen „Randkloven“ (Randklippen) einer gewaltigen Felsschlucht auf Bornholm. Der gebürtige Bornholmer Kristian Zahrtmann (1843-1917) wurde dann, zusammen mit anderen Kollegen in Kopenhagen, zum an Paris orientierten Bahnbrecher der Moderne und Überwinder des Akademismus. In seiner Nachfolge hielt auch auf Bornholm, wo 1911 bis weit in die 20er Jahre hinein auf Christansö eine Künstlergruppe bestand, die Moderne Einzug. Cézanne und der Kubismus formten nun auf eigenwillige Weise den Stil ihrer Landschafts- und Figurenbilder, ihrer Porträts. Sie sind die eigentliche Überraschung dieser Ausstellung.

Gestisch und formstreng zugleich ist das Porträt von Bertha Brandstrup (1914) des mit Dänemark eng verbundenen Schweden Karl Isakson, während er in einem Stilleben (1916-1918) oder einer „Ansicht von Gudhjen“ (1921) und dem „Friedhof von Christansö“ (1921) mit der zarten, schwebend leichten Lichttransparenz von Farbflächen mit kubistischem Einschlag spielt. Ein temperamentvoller, oft ekstatischer Pinselstrich zeichnet Edvard Weies „Selbstporträt“ (1910/15), seinen „Waldweg Christansö, Morgen“ aus oder seinen „Entwurf für eine romantische Phantasie“ (um 1921). Zahrtmannschüler wie Weie war auch Olaf Rude, der ständige Sommergast auf Bornholm. Streng in farbige kubistische Flächen geschichtet ist seine „Schwarze und weiße Frau“ von 1918. Farbflächen schaffen Farbräume in seinen späteren abstrahierten, doch stimmungsreichen Landschaften („Frühlingsmorgen, Allinge“. 1941).

Weitere in großen vereinfachenden Farbflächen und Schichten aufgebaute Gemälde sind auch Niels Lergaards herbe Porträts und Landschaften, die schlichten Bilder von Claus Johansen und die fast informellen, das Gegenständliche nur als Vorwand für Farb- und Lichtschimmer nehmenden Malereien von Oluf Möst.

YVONNE FRIEDRICHS
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 3. März 1993