Yvonne Friedrichs Textforum

Eine Zeitungsanzeige führte per Zufall zum verwunschenen Schloß

Helmut Hentrich brachte ein Buch über Groot Buggenum heraus / Restaurierter, aus dem Mittelalter stammender Alterslandsitz in der Provinz Limburg

Ein bezauberndes Buch wurde einem kleinen Freundes- und Kennerkreis in der Schrobsdorff’schen Buchhandlung an der Königsallee vorgestellt, ein Buch über einen Traum, der wahr wurde durch das Engagement eines mit Leib und Seele der Kultur verpflichteten Mannes: Professor Helmut Hentrichs, des Architekten, Kunstsammlers und bedeutenden Kunstmäzens.

Verwahrloster Zustand

Er erzählte in der Buchhandlung mit schlichten Worten die Entstehungsgeschichte seines Buchs mit all seinen stimmungsvoll-poetischen Farbphotographien von Hans Jürgen Dressel und Heinpeter Schreiber. Hentrich sprach über seinen Alterssitz, Kasteel Groot Buggenum bei Grathern nahe der Maas in der niederländischen Provinz Limburg. Er schilderte, wie er sich aufmachte, eine Anzeige der Rheinischen Post folgend, ihn zu suchen und schließlich über Umwege fand: in völlig verwahrlostem, halb verfallenem Zustand, doch eingebettet in die reizvolle Landschaft an der Maas, die ihn sofort gefangen nahm.

Helmut Hentrich beschreibt in seinem Buchtext, wie er das in seinen Ursprüngen aus dem 14. Jahrhundert stammende „kleine Kasteel“ wiedererrichtete. Nur noch ein quadratischer Burggraben, die Kellergewölbe und ein Teil der Umfassungsmauer sind aus dem Mittelalter erhalten. 1793 wurde das Kastell von den Franzosen beim Rückzug aus Holland in Brand gesteckt und 1889 als Villa im historischen Stil der Maas-Renaissance wieder aufgebaut. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das Gebäude in die Schußlinie von Deutschen und Engländern und wurde schwer beschädigt. Nur notdürftig repariert, wurde es in den 60er Jahren völlig aufgegeben. Dann aber erweckte Hentrich den Landsitz in liebevoller Restauration mit seinen Gärten zu neuem Leben. Wahrscheinlich war es in seiner ganzen Geschichte noch nie so schön wie jetzt.

Zweijährige Planung

Nach zweijähriger Planung begannen 1972 die Bauarbeiten, und im Herbst 1974 konnte Hentrich in das Haus mit seinen herrlichen, von dem Düsseldorfer Gartenarchitekten Roland Weber ersonnenen, sinnvoll auf die von Grachten umzogene viereckige Anlage von Groot Buggenum bezogenen Gärten einziehen.

Schon in den Jahren der Planung war der Bauherr durch die Provinz Limburg gefahren, um die gewachsene örtliche Bauweise zu studieren und ihr seine Entwürfe anzupassen, auch in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt. Außerdem kaufte er schon damals Abbrüche aus historischem Baubestand in Belgien und dann besonders aus Schloß Harff im Kreis Bergheim auf, das unmittelbar danach in die Luft gesprengt wurde, weil es der Braunkohlenförderung im Wege stand.

Eine barocke Treppe, Türen, französische Wandvertäfelungen des 18. Jahrhunderts, Fußbodenfliesen aus Holland, Kacheln aus Portugal, Dachabschlüsse, Gittertore und vieles mehr konnten so gerettet und eingebaut werden. Aus England kamen Stein- und Bleivasen, alte Gartenmöbel für die Parkanlagen, aus München antike Möbel und Hausrat.

„Ich habe mich nicht an eine besondere Zeitperiode oder ein bestimmtes Ursprungsland gehalten, sondern ein Ziel darin gesehen, Gegenstände, darunter auch solche aus heutiger Zeit, zu einem neuen vielfältigen Ensemble zusammenzustellen. Ich glaube, daß gerade darin heute ein besonderer Reiz liegt“, schreibt Hentrich.

Liest man die topographisch-atmosphärische Beschreibung von Haus und Gärten von Winfried Konnertz, deren Restauration, Wiederaufbau und Anlage sich auf die vermutete ursprüngliche Form des Kasteels beziehen, muß man auch dem Jung-Verleger Daniel Brücher aus dem Dumont-Verlag, der dieses kostbare, exquisit gedruckte Buch herausgab, recht geben. Sagte er doch bei der Vorstellung in der Buchhandlung Schrobsdorff, es sei eine grenzüberschreitende kulturelle Leistung von europäischer Dimension.

Die vom Hausherrn leidenschaftlich gesammelten Möbel, Bilder, kunsthandwerklichen Dinge kommen aus aller Welt. Das alles fügt sich im Spiel mit dem Verschiedenen qualitätsvoll souverän und anmutig zu harmonischer Einheit, auch zwischen Kultur und Natur. Die betörenden Photographien in dieser „Biographie eines Hauses“ übertreffen fast noch die aus Claude Monets berühmtem Garten von Giverny. Bernard von Schwartzenberg steuerte in seinem Text die detaillierte Geschichte des Hauses und seiner Besitzer bei.

Schenkung mit Vermächtnis

Helmut Hentrich hat seine Neuschöpfung von Groot Buggenum am 3. Mai 1980 der Provinz Limburg als Vermächtnis nach seinem Tod geschenkt mit der Auflage, es im existierenden Zustand zu erhalten. Das im Dumont Verlag erschienene Buch (216 Seiten, 160 Abbildungen, davon 146 farbig, deutsch-englische Ausgabe, Leinen) kostet 128 Mark.

YVONNE FRIEDRICHS
In: Rheinische Post. Feuilleton, 22. Oktober 1992