Yvonne Friedrichs Textforum

Zwei malen miteinander

Dresdner Veit Hofmann und Claus Weidensdorfer

Sie sind Gegenpole und treffen einander doch in ihrer Leidenschaft für die Erkundung des menschlichen Innen- und Sinnenlebens. Die beiden aus Dresden kommenden Künstler Veit Hofmann und Claus Weidensdorfer. So ist ihre gemeinsame Ausstellung in der Galerie Beethovenstraße (Beethovenstraße 3) eine spannende malerische Entdeckungsreise.

Hofmann (geboren 1944 in Dresden-Loschwitz) schleudert seine Wahrnehmungen über menschliches Verhalten und Empfinden in farbkräftigen abstrakten Strukturphantasien in die ebenfalls „gegenstandslose“ Bildlandschaft, die aus solchen Eruptionen entsteht.

Claus Weidensdorfer (geboren 1931 in Coswig bei Meißen) verdichtet sie in nicht minder ausdrucksstarken, ineinander verschmelzenden Farbüberlagerungen figurativ. Bei ihm bleibt alles im Rahmen, wenn sich das Nachdenkliche seinen eigenen Raum sucht. Hofmann dagegen drängt nach außen, möchte am liebsten das gegebene Format sprengen, überschreitet auch im Leben gern Grenzen. So besitzt er beispielsweise außer in Dresden auch in Ungarn seit 1992 ein Atelierhaus, stellte in Budapest, Berlin, Paris, den USA aus, wo er 1994 ein Aufenthaltsstipendium hatte.

Beide haben an der Dresdner Kunstakademie studiert, wo Weidensdorfer 1957 Assistent für Malerei und Graphik wurde. Seit 1975 lehrte er an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin-Schöneweide und ist seit 1992 Professor für Malerei und Graphik an der Dresdner Kunsthochschule. Hofmann, der auch aktiv war auf den Gebieten Collage, Rauminstallationen, Möbelobjekte, Künstlerbücher, erfand zusammen mit Otto Sander Tischbein 1988 die Telephonkunst für die damalige DDR. Er bestieg 1991 den Berg Athos in Griechenland, machte im gleichen Jahr die 400 Quadratmeter große „Schafstallinstallation“ im ehemaligen Kloster Lamspringe und 1993 ein Buch zu „Finnegans Wake“ von James Joyce.

Weidensdorfer und Hofmann haben auch zusammen mit Dichtern und Musikern mancherlei gemeinsame Arbeiten geschaffen, darunter Buchobjekte und jetzt 1996 eine 150 x 427 cm große Wandzeichnung in Kreiden und Graphit, verbunden mit Frottagetechnik, auf Papier, betitelt „Tanzmusik“. Man kann sie neben neuen Bildern der beiden Künstler aus den Jahren 1994 – 1996 in der Galerie Beethovenstraße kennenlernen. Sie wurde inspiriert von der besonderen Atmosphäre der Galerie „Blaue Fabrik“ in Dresden. Einem Ort, wo sich Tanz, Musik, bildende Kunst und Dichtung multimedial begegnen.

Die beiden Künstler haben dort 14 Tage lang gleichzeitig daran gearbeitet. Assoziativ zeichnete der eine dort weiter, wo der andere gerade aufgehört hatte, jeder auf seine Weise und ohne vorgegebenes Konzept. In einem bildlichen Dialog reagierten sie aufeinander. Die Gegensätze stimulieren sich in diesem tänzerisch-vital bewegten, collagenhaften Werk mit seiner drastischen Erotik, den ganz von lockerer Musik getragenen figurativen Linien von Weidensdorfer, den spontanen Farben Hofmanns.

Veit Hofmanns Ölbilder oder Collagen in Acryl haben das Flair des Abenteuerlichen, plötzlich aus reiner Entdeckungsfreude Geborenen. Dynamisch, kraftvoll entstehen sie aus der Bewegungsgeste heraus, nach allen Seiten offen. Monumentales wird glaubhaft. Die Titel erfindet er erst, wenn alles fertig ist. Etwa „Sorcerer“ (Hexenmeister), „Maske in Weiß“, „Tanzendes Wesen“, „Paradiesvogel“ oder das erotische „Blaulah“. Ironie fehlt nicht.

Weise, auch dramatische und tragische Spiegelungen. Realistisches im Tierblick faszinieren an den Gouachen, zum Teil über Kohle, auf Papier von Claus Weidensdorfer. In den verknauelten Bildern von Eishockeyspielern wird der Trieb zu Kampf und Gewalt offenbar, der im Sport legitimiert ist, aber auch die enge Begegnung von Menschlichem im Kampf, das Spiel.

In „Menschenansammlung“, die aus der Erinnerung an die Montags-Demonstrationen 1989 entstand, gibt dieser Künstler selbst in der Menschenmasse dem einzelnen individuelle Ausstrahlung. Beziehungsprobleme zwischen Mann und Frau werden schlicht und überzeugend in den beiden Gouachen „Zwei Stürzende“ und „Violettes Profil“ verhalten-expressiv, in diffus sich durchdringenden Farben durchlebt und durchlitten.

YVONNE FRIEDRICHS
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 3. Juli 1996