Yvonne Friedrichs Textforum

Wachen Auges und voller Begeisterung

RP-Kunstkritikerin Yvonne Friedrichs 73jährig in Mettmann gestorben

In ihrem Wesen schien ewige Jugend zu walten. Yvonne Friedrichs, aus Thüringen stammende Kunstkritikerin der „Rheinischen Post“ seit 35 Jahren, konnte sich immer wieder begeistern: für die Werke junger, nachwachsender Künstlergenerationen, für Moderne und Klassik und ganz besonders für alles Fernöstliche. Völlig überraschend ist sie gestern während eines Telefongesprächs in ihrer Wohnung tot zusammengebrochen, im Alter von 73 Jahren.

Yvonne Friedrichs war – nach kunst- und musikwissenschaftlichen Studien – in Düsseldorf zu einer liebenswürdigen Institution geworden. Sie pflegte enge Kontakte zu Galerien und Museen, und wenn Ausstellungen sie überzeugten, war es ihr ein Herzensanliegen, ihre Begeisterung auf die Leser überspringen zu lassen. Besonders schätzte sie heftige, wilde, farbintensive Malerei; aber auch Kunstwerke, deren Sinnlichkeit weniger unmittelbar in Erscheinung tritt, sucht sie in zuweilen überschwänglichen Worten ihrem zeitungslesenden Publikum zu vermitteln. Ihr letzter, gestern in der Redaktion eingegangener Bericht über eine Keramikschau im Düsseldorfer Hetjens-Museum legt davon erneut Zeugnis ab. Wenn Yvonne Friedrichs Kunst deutete, warb sie immer auch um Verständnis.

Ihr besonderes Interesse an meditativen, im Metaphysischen wurzelnden Werken ergab sich aus den Erkenntnissen, die sie auf ihren abenteuerlichen Reisen in den Orient, den Fernen Osten und in Länder der sogenannten Dritten Welt erworben hatte. In Persien kann sie sich ebenso gut aus wie in Pakistan, in Indien, Peru und Bolivien. Und mehr als einmal stand sie dabei, wie sie uns erzählte, am Rande des Abgrunds.

Zuweilen hat Yvonne Friedrichs die Seite gewechselt, hat selber Dinge in Gang gesetzt, die sie sonst nur schreibend begleitete. So gab sie zusammen mit anderen den Anstoß zur Errichtung des (inzwischen geschlossenen) Skulpturenparks der Firma Horten am Düsseldorfer Seestern, arrangiert für fünf Stationen eine Kunstschau mit dem Titel „Blickpunkt Niederrhein“, brachte Kunst sogar in die Schaufenster der Kö.

Düsseldorfs dienstälteste Kunstkritikerin (die immer wieder auch Ausstellungen in anderen Städten besprach) hat ihr Lebenswerk abgeschlossen. Sie wird uns fehlen mit ihrer aller Routine entgegenwirkenden Neugier auf Kunst unserer Tage, ihrer Herzlichkeit, ihren wachen, lachenden Augen.

BERTRAM MÜLLER
In: Rheinische Post. 24. September 1996