Yvonne Friedrichs Textforum

Ein Anglerkönig auf dem Thron

Ausstellung Carl Emanuel Wolff im Kunstpalast und an der Bilker Straße

Sich nicht mit dem Gegebenen zufrieden geben, vor allem nicht mit dem bloß Nützlichen und Funktionalen, sondern sich von den Dingen und Abläufen des Alltäglichen anregen lassen zum schöpferischen Spiel. Das ist es wohl, was Carl Emanuel Wolff uns mit seinen Skulpturen vor Augen führen will. „Vorstellung schafft Wirklichkeit“ nennt er seine auf zwei Schauplätze verteilte Ausstellung mit rund 30 plastischen Szenerien in der Halle A1 des Kunstpalastes im Ehrenhof und im Ausstellungsraum Bilker Straße 12, die das Kunstmuseum veranstaltet.

Die Halle A1 als Forum experimenteller Kunst scheint, zumindest in diesem Fall, wesentlich geeigneter zu sein in ihrer intimeren Gliederung als der bisher vom Kunstmuseum genutzte, ziemlich abweisende gegenüberliegende Saal. Der Dialog, der sich hier zwischen den Skulpturen Carl Emanuel Wolffs und dem Raum entspinnt, ist wirklich eine reine Freude.

C. E. Wolff hat die alte Halle mit seinen Skulpturen auf unkonventionelle Weise möbliert – sparsam, doch voller Überraschungen. „Mir reicht es schon, wenn man sich wundert“, sagte der 1957 in Essen geborene Künstler, der an der Kunstakademie studierte, zuletzt, 1983, als Meisterschüler von Gotthard Graubner. 1981 hatte er ein Atelierstipendium der Akademie im PS1, New York. 1985 zeigte Strelow eine Einzelausstellung von ihm. 1988 war er an der Ausstellung „Meine Zeit, mein Raubtier“ beteiligt.

Wolff baut seine plastischen Objekte aus Fundstücken und banalen Materialien aus der Alltagswelt mit feinem Gespür für formale, farbliche, stoffliche, strukturelle Verhältnisse. Der Raum spricht mit, gibt der Stille Raum. Manchmal erhöht sich das Banale bis zum Klassischen, etwa in einer großen Vase aus blauem Kunststoff, wie sie sonst für industrielle Zwecke verwendet wird. Sie hat ein strukturiertes Innenleben aus rhythmisierten Holzklötzchen, Klebeband und goldenen Schrauben an den Gefäßwänden. Außen ist sie mit brauner Wellpappe und einem gemalten und geklebten, archaisch anmutenden Ornamentband aus bunten Karos geziert.

Daneben ein sehr fein modellierter Pferdekopf aus leicht rosa eingefärbtem Gips mit kleinen, in Holz geschnitzten Objekten davor. Ein anderer, wie in Träume versunkener Pferdekopf ist gallertartig mit einer durchsichtigen Kunstharzschicht überzogen, unter der rote Billardbälle, Blätter, Pflanzen und mancherlei anderes sichtbar werden.

Es gibt auch einen gleichsam auf einem Thron sitzenden „Anglerkönig“ und einen großen, mit transparenter Folie umwickelten, auf einem gezimmerten Landesteg liegenden Fisch aus grauem Schaumgummi. Nicht zu vergessen einen einsam, sanft und geduldig im Raum stehenden Tapir. Sein Schaumstoffkörper ist mit Klebeband umwunden. Selbst die Augen sind überklebt.

In einer offenen Kommodenschublade, die eigentlich zum Aufbewahren von Graphik dient, liegt ein nachgebautes Luftgewehr. Aus allen möglichen Fundstücken zusammengebaute Tische entwickeln ihr formales Individualleben meist an der Unterseite ihrer Platte, wo man beispielsweise Strukturen aus Billardschlägern und -bällen, Krockettschlägern und Kugeln, Zweigen, Baumstämmen erkennen kann.

Zwölf aus alten Dachlatten, Kistenbrettern, Schrankteilen immer anders gezimmerte, schlichte Regale ohne Rückwand. Leicht wirken sie und durchsichtig. Was da locker aufgereiht und sparsam hingelegt ist, erinnert an Stilleben Morandis: Gläser, ein versilberter Pokal, mit grauem Schaumstoff umwickelte Holzrollen, überklebt mit braunem Klebeband, Gipsbuchstaben, ein langstieliger Holzlöffel, aufgespießte Holzkugeln. In einem Regal ist horizontal eine Perlenkette aufgehängt, in einem anderen liegt ein mit blauen Schnüren umwickeltes, blaugeflecktes Pferdchen. (Bis 30. April im Kunstpalast, bis 15. April in der Bilker Straße 12)

Yvonne Friedrichs
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Kultur, 19. April 1989