Annette von Droste-Hülshoff
Gedichte & Kurzvita

Wie sind meine Finger so grün

Wie sind meine Finger so grün
Blumen hab ich zerrissen
Sie wollten für mich blühn
Und haben sterben müssen
Wie neigten sie um mein Angesicht
Wie fromme schüchterne Lieder
Ich war in Gedanken, Ich achtets nicht
Und bog sie zu mir nieder
Zerriß die lieben Glieder
In sorgenlosem Mut
Da floß ihr grünes Blut
Um meine Finger nieder
Sie weinten nicht, sie klagten nicht,
Sie starben sonder Laut
Nur dunkel ward ihr Angesicht
Wie wenn der Himmel graut
Sie konnten mirs nicht ersparen
Sonst hätten sie’s wohl getan,-
Wohin bin ich gefahren!
In trüben Sinnens Wahn!
O töricht Kinderspiel!
O schuldlos Blutvergießen!
Und gleichts dem Leben viel,
Laßt mich die Augen schließen,
Denn was geschehen ist, ist geschehn
Und wer kann für die Zukunft stehn!

(Gedicht aus dem Nachlass, aus: A.v.D.-H.: Gedichte.
Hrsg. von Bodo Plachta, Winfried Woesler, 1994)