Ricarda Huch
Gedichte

Abschied

Leb wohl, mein schönes Land,
Ihr Berge voller Schnee,
Die ich vom Waldesrand
Zum letzten Male seh!

Leb wohl nun, lieber Wald,
Du kühle Halle mein!
Schon fällt das Laub – wie bald
Wirst du entblättert sein.

Wie still dann und wie leer,
Der einst so froh und kühn!
Kein Schlänglein raschelt mehr
Durch das verweste Grün.

Wo ich im Moose lag
Am roten Hagedorn
Und auf der Amsel Schlag
Und auf das Alpenhorn

Gelauscht so oft und gern,
Schleicht dann der Fuchs vorbei,
Und kichernd tönt von fern
Der Eule Nachtgeschrei.

Leb wohl, mein schönes Land!
mein Aug’ ist Tränen voll;
Mein Fuß ist festgebannt,
Der dich verlassen soll.

Leb wohl, mein trautes Dach!
Wie oft blick ich zurück!
Das Heimweh folgt mir nach –
Dahinten bleibt das Glück.

(aus: R.H.: Gedichte, 1917)