Marie Luise Kaschnitz
Gedichte & Kurzvita

portrait

Als dritte Tochter der adeligen Offiziersfamilie von Holzing-Berstett am 31. Januar 1901 in Karlsruhe geboren, wuchs sie wohlbehütet in Potsdam und Berlin auf. Nach dem Abitur und der anschließenden Ausbildung zur Buchhändlerin arbeitete sie in Weimar und München. Im Jahr 1924 ging sie nach Rom, um in einem Antiquariat zu arbeiten. Sie begegnete dem Wiener Archäologen Guido von Kaschnitz-Weinberg und heiratete ihn ein Jahr später. Mit ihm bekommt sie ihre einzige Tochter. Von nun an bestimmte die universitäre Laufbahn ihres Mannes die Lebenssituation. Sie folgte ihm zunächst nach Königsberg (1932-1937) und Marburg (1937-1941), später nach Rom und Frankfurt a. M. (1953-1958). Mit ihrem Mann unternahm Marie Luise Kaschnitz ausgedehnte Studien- und Forschungsreisen nach Italien, Griechenland, Nordafrika sowie in den Orient. Die antike Kultur und Mythologie des Abendlandes wurde zu einer frühen Inspirationsquelle ihres literarischen Schaffens.

In den 30er Jahren machte Marie Luise Kaschnitz ihre ersten Schreibversuche, die jedoch eher sporadisch und bruchstückhaft blieben. Auf den ersten, vorwiegend autobiografisch geprägten Roman „Liebe beginnt“ von 1933 folgte 1937 ein zweiter Roman „Elissa“. Während des Krieges ging Marie Luise Kaschnitz auf Distanz zum NS-Regime und zog sich in die innere Emigration zurück. Ab 1945 begann sie dann wieder regelmäßig zu publizieren. Ihre Essaysammlung „Menschen und Dinge“ (1946), ebenso wie vor allem ihre ersten Gedichtbände „Gedichte“ (1947) und „Totentanz und Gedichte zur Zeit“ (1947) waren ganz unter dem Eindruck der Schrecken des Krieges entstanden und begründeten ihr Renomme als eine der bedeutendsten deutschen Nachkriegsautorinnen, als geschätzte Vertreterin der sog. „Trümmerliteratur“. Dazu trug nicht zuletzt der Band „Das dicke Kind und andere Erzählungen“ (1951) bei.

In ihren in den 50er Jahren veröffentlichen Gedichtbänden wie „Zukunftsmusik“ (1950) und „Neue Gedichte“ (1957) setzt sich das lyrische Ich zunehmend zeitkritisch mit der Gegenwart auseinander. Seit 1950 verfasste Marie Luise Kaschnitz nicht nur Prosa, Lyrik und essayistische Schriften, sondern auch zahlreiche Hörspiele. 1955 erschien ihr vielbeachteter Roman „Engelsbrücke. Römische Betrachtungen“ und im selben Jahr wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Nach Ingeborg Bachmann wurde sie 1960 eingeladen, eine Frankfurter Poetik-Vorlesungen zu halten.

Den Tod ihres Mannes im Jahr 1958 verarbeitete sie in dem vielbeachteten Lyrikband „Dein Schweigen – Meine Stimme“, der die Gedichte von 1958 bis 1961 umfasst. Ihre späte Lyrik löste sich von klassischen Formen und arbeitete verstärkt mit Verdichtung und Verknappung. Als letzte Lyriksammlung erschien 1972 „Kein Zauberspruch“. In dem letzten, kurz vor ihrem Tod geschriebenen Vortrag „Rettung durch die Phantasie“ sah sie das Gedicht als den „letzten kleinen Freiraum“, über den die Schreibenden verfügen.

Marie Luise Kaschnitz starb am 10. Oktober 1974 in Rom, vielfältig ausgezeichnet und geehrt, u.a. mit der Ehrendoktorwürde der Universität Frankfurt und dem Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste.