Christine Lavant
Gedichte

 

O SPINDEL im Monde, lasse dir Zeit!
Zähl die Kleeblätter ab am Wetterkreuzhügel,
setz die Wut-Rosen ein, die der Truthahn verschreit,
und wenn du dich drehen mußt, dann dreh einen Zügel
für den Wildeselwind aus Südosten.
Geh ins Dorf jetzt den Birnenmost kosten!
Der ist heuer so stark wie ein türkischer Wein,
betrinke dich Spindel – nur laß mich allein
das Garn für mein Sterbehemd spinnen.
Du drehst viel zu locker, du haspelst zu schnell
und oft mußt du mitten im Hundegebell
das Knüpfwerk von vorne beginnen.
Ich aber habe die Knoten so satt!
Mein Tod soll so glatt wie ein Wegerichblatt
und weich wie ein Katzenschwanz werden.
Mein Flachsacker blüht noch auf Erden!
Der geht dich nichts an und du findest ihn nie,
du besoffene Spindel! – ich steh bis zum Knie
im gebrechelten Elend vom vorigen Jahr
und mein Herz könnt dich lehren, - wie Erzengelhaar
so glatt und so stark wird sein Faden.
Nein, Mondrad, du kannst mir nicht schaden,
selbst wenn du noch runder den Dorfrand verläßt
und alles verdrehst hinterm Apfelgeäst.

(aus: Ch.Lavant: Spindel im Mond. Gedichte, 1959)