Ruth Schaumann
Gedichte

Es kommt die weiße Stunde

Im blauen Wolkengrunde
Wächst eine tiefe Furt,
Es kommt die weiße Stunde,
Die Stunde der Geburt.
Die Engel gehn auf Zehen,
Die Sterne gehn vor’s Haus
Und blinde Augen sehen
Nach ihren Lichtern aus.
Die Liebe vor dem Throne
Der Gnade sich verneigt,
Der Vater seinem Sohne
Das Leid der Liebe zeigt.
Die Liebe eilt zur Schwelle,
Die Gnade trägt wie Wind –
Vor Ochs und Eslein helle
Liegt ein kleines Kind.
Die Gnade thront gar einsam,
Der Lieb man Lämmer bringt,
Doch Gnad und Lieb gemeinsam
Vom Dach als Taube singt.

(aus R. Sch. Die Tenne. Gedichte, 1931)