Ruth Schaumann
Gedichte

Zelt der Engel

Und ein Engel hielt sein Kleid
Sich im Schoß zu offnen Falten,
Mich darinnen zu erhalten
Aus der Hand der hohen Zeit.

Und ein zweiter blies das Rohr
Einer silbergrauen Flöte,
Bis ihr Klang wie Abendröte
Sich zum Horn der Nacht verlor.

Und der dritte las im Buch
Jeder armen Menschenreise,
saß vertieft und blickte weise
Zu des Himmels blauem Tuch.

Und ich sang mein Herz hinaus,
Vogelhaft auf Engelknien,
Ward ergriffen und verliehen
Deiner Tage Vogelhaus.

(aus R. Sch. Die Tenne. Gedichte, 1931)