Gerda Kaltwasser Textforum

Ich gehe langsam durch die Stadt

20. Oktober 1984

Ein Glück, Lambertus hat seine Kastanien schon in der Tasche. Zwar plagt ihn noch nicht das Zipperlein, gegen das die Roßkastanien in der Hosentasche ja Wunder wirken sollen, aber der Anblick der glänzenden, schön gefleckten braunen Früchte, das wohlige Gefühl, sie in der Hand liegen zu haben, gehören für Lambertus zum Herbst. Nicht nur mit Kopfschütteln, mit Erschrecken hat Lambertus jetzt erfahren, daß es gelungen ist, Roßkastanienbäume ohne Kastanien zu züchten. Sie grünen zwar, sie blühen zwar, aber vermehren können sie sich nicht, können folglich im Herbst nicht mehr die grünen Stachelbälle zur Erde plumpsen lassen, aus denen beim Aufprall die dicken brauen Samen quellen.
Schlimmer als die impotente Kastanienart aber klingt für Lambertus, daß in Krefeld diese Kastanien nun „aus Versicherungsgründen“ angepflanzt werden sollen. Hat wirklich schon mal jemand eine Beule von einer fallenden Kastanie bekommen? Doch allenfalls von einem Knüppel, den Jungen in die Baumkronen werfen, damit mehr Früchte herunterfallen. Lambertus ohne Roßkastanien in der Hosentasche? Das Forstamt ohne die für die Winterfütterung im Wildpark gelagerten Kastanienberge? In Düsseldorf werden solche „Versicherungsgründe“ nicht greifen, hofft...

Lambertus
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 20. Oktober 1984