Gerda Kaltwasser Textforum

Monumente aus Reimen

Christoph Hauschild: Lyrische Heine-Porträts

Statuen bedeutender Persönlichkeiten sind im allgemeinen aus Stein oder Bronze. Manchen setzen auch Dichter oder Schriftsteller ein Standbild aus Reimen. Bei Heinrich Heine, selbst wortgewaltig wie kaum ein zweiter in der deutschen Sprache, musste die Fahndung nach solchen literarischen Denkmälern zu Überraschungen führen. Jan-Christoph Hauschild, Mitarbeiter am Heine-Institut und an der Düsseldorfer Heine-Ausgabe, bekannt auch als Büchner-Forscher, enthüllte jetzt vor der Heinrich-Heine-Gesellschaft solche poetischen Statuen für den so geliebten wie gehaßten Dichter.

Auf Heine, von dem über 700 Gedichte bekannt sind (der Düsseldorfer Lokalredakteur Karl-Ludwig Zimmermann, genannt Zips, hatte ihn an Zahl noch übertreffen wollen, was aber nicht gelang), wurde mit Vorliebe in „Heine’scher Manier“ gereimt. Was dabei herauskam - rund 500 Beispiele sind bekannt - war „selten Gold, meist Strass“, meinte Hauschild. Ein Gedicht von Gustav Schwab, das Hauschild deutlich schwäbelnd vortrug, war allerdings eher ein Un-Denkmal, schon deutlich antisemitisch. Ganz anders Georg Herwegh, den Heine als „eiserne Lerche“ verspottet hatte, die dann ihrem Kritiker ein wahrhaftiges, gedichtetes Monument schuf.

Paul Heyse, den Hauschild rheinisch reden ließ, beschäftigte sich hellseherisch mit „Heine in Düsseldorf“ wie auch Arnold Weiss-Rüthel, dessen grimmiges Gedicht „Heine-Denkmal“ 1925 in der „Weltbühne“ abgedruckt wurde, und das er „dem Kaiser, Hitler und Ludendorff“ widmete. Daß der Schriftsteller später ins KZ kam – wen wundert’s?

Peter Rühmkorf, Träger der Heine-Ehrengabe der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Gesellschaft, schrieb 1959 ein bewegendes Heine-Gedenklied, zu einer Zeit, als das noch nicht so selbstverständlich war wie heute. Und auch der scharfzüngige Gerd Semmer dachte 1959 an Heinrich Heine, den Geschmähten und fast Vergessenen, als er über „Düsseldorf an der Düssel“ schrieb, die Hauptstadt des Wirtschaftswunders.

Hauschild ließ auch eine zeitgenössische Stimme von „drüben“ zu Wort kommen. Peter Hacks, der sonst so gesprächige, wird in dem Gedicht auf das Heine-Denkmal in Ost-Berlin ganz knapp, ganz präzise. Hauschild bedauerte, daß es in Düsseldorf kein Heine-Denkmal gibt, bei dem man dem Dichter den Arm um die Schulter legen kann. Aber hat nicht der Bildhauer Bert Gerresheim sein Heine-Monument am Schwanenmarkt als „begehbare Gesichtslandschaft“ geschaffen, damit Heine ganz ergriffen werden kann?

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 28. Oktober 1989