Gerda Kaltwasser Textforum

Meditieren, blumige Harmonie genießen

Zur Euroga 2002: Ausstellung Japanische Blumenkunst im Hetjens-Museum

Es begann in den fünfziger Jahren als Aufbruch in eine fremde Kultur. Die Achse Berlin-Rom-Tokio zur Hitlerzeit hatte da nicht viel gebracht. Mitte der Fünfziger aber wurde im Kunstmuseum am Ehrenhof eine japanische Tee-Zeremonie zelebriert, gab es im Hetjens-Museum, damals noch Abteilung des Kunstmuseums, eine erste Begegnung mit Ikebana, der Kunst des Pflanzensteckens in kunst- oder sonst wie anspruchsvollen Gefäßen. Origami, die Kunst des Papierfaltens, bezauberte, papierene Koi-Karpfen hingen wie Mobiles in den Fenstern, und japanische Schriftzeichen auf Schachbrettmuster hingen als Grafik an den Wänden.

Dann kam der Niedergang. Origami wanderte in Kindergärten und Grundschulen ab, Ikebana in die Volkshochschulen, die Teezeremonie wurde als fischiger, grüner Teeaufguss missverstanden, Papierkarpfen waren fürs Kinderzimmer und die Schriftzeichen als Grafik-Ersatz wurden saurer Kitsch genannt.

Dann kam vor 30 Jahren die Engländerin Georgie Davidson nach Düsseldorf und eröffnete hier einen Zweig ihrer Internationalen Ikebana-Schule. Seitdem ist Ikebana im Rheinland mehr als häusliche Pflanzendekoration mit fernöstlichem Touch. Zum 30-jährigen Bestehen des Düsseldorfer Ikebana-Zweigs wurde gestern im Hetjens-Museum eine Jubiläumsausstellung eröffnet, in der sich Ikebana als wahrhafte Kunst präsentiert, Kunst nicht denkbar ohne Meditation, und zufällig auch ein Beitrag zur Euroga 2002.

Georgie Davidson, 83 Jahre alt, Großmutter, mit gepflegtem weißen Haar die typische Lady, dirigierte gestern Mittag noch eine Schar aufgeregt hin und her flatternder englischer und deutscher Schülerinnen; fotografierende Ehemänner und ein einziger männlicher Schüler wirkten ziemlich exotisch. Dabei war bis vor 100 Jahren Ikebana, damals schon mit 500-jähriger Tradition, in Japan reine Männersache. Um so mehr spricht es für die Ikebana-Meisterin Davidson, dass die Ausstellung von der Japan-Foundation unterstützt wird. Japaner/-innen findet man allerdings in der Schule nicht.

Das Hetjens-Museum, Deutsches Keramikmuseum, ist der Ikebana-Kunst seit Jahrzehnten verbunden und das, obwohl die Meisterwerke der Keramik für die Dienerinnen der Alt-Äste, Jung-Artischocken, Lilien, Rosen, Strelizien und Bananenblätter nicht mehr als Container sind. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich Schulen und Stile herausgebildet. Da ist zum Beispiel Morimono. Hauptbestandteil sind Früchte, dazu wenige Blüten, noch lieber Blätter; diese Schaustücke können in Glas- oder Keramik-Arbeiten angeordnet werden, auf Lackschalen, sogar auf Papier.

Vieles wirkt auf uns, die wir in der abendländischen Kultur- und Begriffswelt aufgewachsen sind, symbolisch, manches auch nahe am Deco-Pop, Begriffe, die zum Verständnis so wenig taugen, wie wir jemals den Gehalt von „Meditation“ voll ermessen können. Da bleibt uns ein wunderbarer Ausweg: sich hineinfallen lassen in die Harmonie von Ikebana. Auge und Nase, Herz und Hirn werden glücklich.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 4. Mai 2002