Gerda Kaltwasser Textforum

Bierstadt-„Aktien“ steigen ständig

Vor 100 Jahren starb der Maler der Düsseldorfer Schule, der in Amerika sein Glück fand

WAm 19. Februar 1902, also vor 100 Jahren, starb in New York der Maler Albert Bierstadt, unter anderem Ritter der (französischen) Ehrenlegion, Träger des türkischen Mejide-Ordens, im Alter von 72 Jahren. Der Düsseldorfer Galerist Wilhelm Körs, spezialisiert auf Künstler der „Düsseldorfer Malerschule“ des 19. und 20. Jahrhunderts, bedauert glaubhaft, dass er keinen Bierstadt im Angebot hat. „Ich habe einen Kunden in den USA, der würde 100 000 Dollar und mehr für ein Gemälde von Bierstadt zahlen.“

Das war nicht immer so. Noch 1960 wurde Bierstadts größtes Gemälde, „Die Landung des Columbus“ mit den Maßen 2,74 mal 5,18 Meter, auf Anordnung des Direktors des „Museum of Natural History“ in Washington zerstört, weil es im Wege war. Erst 1987 gehörte seine Flusslandschaft „Platte River, Nebraska“ mit 2,64 Millionen Dollar zu den höchst bezahlten Stücken einer Auktion von Sotheby’s in New York. Und zehn Jahre später bot Christie’s in New York „The Island“ also „Die Insel“ zum Schätzwert von etwa 350 000 Dollar an.

Markenzeichen für Kunstfreunde

Leben und Werk des Mannes, der auch immer wieder mit dem Vornamen Alfred in Publikationen auftaucht und der von Amerikanern natürlich „Bierstedt“ ausgesprochen wurde und wird, sind von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Der gebürtige Solinger kam erst mit 23 Jahren zur Malerei. Als seine Familie nach Nordamerika auswanderte, begann er 1853 ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, Lehrer und Freunde waren Andreas Achenbach, Peter Cornelius, Karl Friedrich Lessing und Emmanuel Leutze, durch den die „Düsseldorfer Malerschule“ in Nordamerika ein Markenzeichen für Kunstfreunde wurde.

Und durch Bierstadt, der nach dem Studium an der Düsseldorfer Akademie (bis 1857) seiner Familie in die Oststaaten Nordamerikas folgte. Er vergaß Düsseldorf und den knapp zehn Jahre alten „Malkasten“ nicht. Was wie eine Anekdote klingt, war Wirklichkeit: Bierstadt kam so schnell zu Ruhm und Geld, dass er für 100 000 Dollar seinen „Malkasten“ am Hudson River bauen ließ, ein schlossartiges Haus mit 35 Räumen, gebaut aus Marmor. So üppige Maße wiesen einige Räume auf, dass er darin Bilder im Umfang von 13 mal 12 Meter hätte malen können. Beim Malen stieg er übrigens in einen Zug der Zeit, der bald auch in Düsseldorf ankam. Er malte im Atelier nach Motiven, die seine Brüder Charles und Edward auf ihren Reisen mit dem Photoapparat festgehalten hatten.

Im November 1882 brannte sein „Malkasten“ vollständig aus. Bis auf 22 Gemälde wurden die dort vorhandenen Arbeiten Bierstadts zerstört. Noch schlimmer traf ihn der Verlust seiner Bibliothek und einer einzigartigen Sammlung mit Indianer-Kunsthandwerk. Auf 175 000 Dollar wurde der Schaden geschätzt.

Damals hatte die Einbuße an Ansehen des Malers Bierstadt schon begonnen. Daran änderte auch die hohe Wertschätzung im offiziellen Amerika, etwa in der Hauptstadt Washington D. C., nichts. Ein Kunststreit entbrannte zwischen den Anhängern der „Düsseldorfer Schule“ und der „Amerikanischen Schule“.

Deren stille Innigkeit stand im Gegensatz zur effektvollen großformatigen Malerei der „Düsseldorfer“, die von den „Amerikanern“ als „brutal, leblos und hart“ empfunden wurde. Eine Einschätzung, die uns heute fremd vorkommt, die aber damals in Übereinstimmung war mit der Einschätzung von „old Europe“, das keineswegs allen als „good old Europe“, als „gutes altes Europa“ galt.

Bierstadt war ein hoch gewachsener, gut aussehender Mann mit ausgezeichneten Manieren und solider, nie verengend wirkender Bildung. Er setzte sich auch nach dem Verlust seines „Malkastens“, nach dem Tod seiner ersten Frau 1893 und einer dramatischer werdenden Augenkrankheit für die Kunst, für seine Kollegen und für seine alte Heimat ein, erwarb sogar noch Patente im technischen Bereich, war hoch geschätzter Gast beim Königlich Britischen Generalgouverneur von Kanada und immer noch in Washington D. C. 1945 konnte man einen Bierstadt für 2000 Dollar ersteigern. 2002 steigen die „Bierstadt-Aktien“ ständig. Der Kunsthistoriker Gordon Hendricks beschreibt ihn in seinem Werk „Painter of the American West“, das in der Bibliothek der Düsseldorfer Kunstakademie einzusehen ist.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 18. Februar 2002