Gerda Kaltwasser Textforum

Lebenslauf mit Goethe

Heinz Macks Buch zum „West-östlichen Divan“

WIm Schlagwortkatalog der Kunstgeschichte ist sein Name unter dem Stichwort „Gruppe Zero“ zu finden: Heinz Mack. Doch davon war nicht die Rede, als Heinz Mack, Jahrgang 1931, in der Droste-Buchhandlung in den Schadow-Arkaden sein „Buch der Bilder zum West-östlichen Divan von Johann Wolfgang v. Goethe“ vorstellte. Es ist das kostbare Buch zur Ausstellung der Original-Bilder von Heinz Mack im Goethe-Museum, Schloss Jägerhof. Die Ausstellung wird bis Mitte Oktober verlängert.

Heinz Mack, wie die anderen Zero-Leute auch, ist längst weg vom Zero-Etikett der späten fünfziger Jahre. Der Bildhauer, der in der Land-Art-Zeit den Wüstensand für seine Kunst fand und in Polarregionen versetzte, macht Skulpturen aus Metall, Wasser und Licht, er malt und zeichnet, stellte sich im Hetjens-Museum als Keramik-Künstler vor und wurde jetzt mit seinem Buch von vielen als Rezitator Goethescher Ewigkeitsworte erwartet – Goethe-Jahr.

Aber Heinz Mack überraschte auch diesmal, nämlich als nachdenklicher, nie weitschweifiger, oft (selbst-)ironischer Memoirenschreiber und –erzähler. Muß man betonen, daß Goethe oft erwähnt wurde? Schließlich war der mit klappriger Kutsche durch das Hessenland gebraust, in das es später den kleinen Krefelder Heinz-Otto Mack während des Kriegs mit Familie zur Oma verschlug, und wo in dem Kleinen die spätere Liebe zu schnellen Autos geweckt wurde, durch vier Uraltautos und ein Motorrad im Örtchen Lollar.

Mack findet immer wieder die Brücke zum Hessen Goethe, auch wenn die eigenen Erfahrungen von denen des Frankfurters abweichen. Der betonte die Lebensprägung durch glückliche Kindertage. Mack gehört zu der Generation, die sich als verloren bezeichnet, als Generation, der die Kindheit verloren ging.

Scheinbar mühelos gelingt es ihm, den Widerspruch glaubhaft zu machen, den später Geborene nie werden begreifen können: Wie man eine tief verwurzelte Abneigung gegen den Zwang in der Hitlerjugend verbinden konnte mit leidenschaftlicher Bewunderung für einen hochdekorierten Luftwaffenoffizier, einen Star von Lollar. Macks Großmutter, neunfache Mutter, zudem Witwe, hatte Hitlers Mutterkreuz abgelehnt.

Heinz Mack, der Bach- und Jazz-Pianist; Heinz Mack mit Depressionen nach einem Film über KZ-Befreiungen; Heinz Mack, der Kunststudent zeitgleich mit Joseph Beuys an der Düsseldorfer Akademie; Heinz Mack als Aussteiger in New York. Dann endlich Erfolg als Bildhauer. Und nun Heinz Mack mit einem Buch ganz im Sinne Goethes, der „der westlichen Gewohnheit, Gedichte mit Bildern zu schmücken“, viel abgewinnen konnte.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post., 22. September 1999