Gerda Kaltwasser Textforum

Wie der Galvano Hirsch in den Berliner Zoo kam

Der röhrende Hirsch im Hofgarten – die Plastik des Bildhauers Josef Pallenberg in der Diskussion

Der röhrende Hirsch im Hofgarten, eine der schönsten Tierplastiken des Düsseldorfer Bildhauers Josef Pallenberg, beschäftigt seit Wochen die RP-Leser, die Düsseldorfer Platt wenn schon nicht „beherrschen“, so doch sprechen oder jedenfalls verstehen. Aber hier soll ein kleiner Nachtrag nicht „op Platt“ beigesteuert werden.

Zunächst dies: Um den originalen Pallenberg-Hirsch zu sehen, ist eine Reise nach Berlin nötig. Im Berliner Zoo nämlich steht er – schon seit Herbst 1989.

Frei zum Einschmelzen

Zweimal vorher war er in Gefahr gewesen, eingeschmolzen zu werden, für Kanonenkugeln oder anderes Kriegsmaterial, nämlich in den beiden Weltkriegen dieses Jahrhunderts.

1907 war der junge Josef Pallenberg, gerade 25 Jahre alt, für sein hervorragend realistisches Tierbildnis mit der Preußischen Goldenen Staatsmedaille ausgezeichnet worden. Es hieß: „Majestät der Kaiser und König haben geruht…“. Das hinderte Majestät in den letzten Kriegswochen 1918 nicht, das Prachttier fürs Einschmelzen freizugeben. Zuvor war es der Stadt vom Verschönerungsverein geschenkt und 1909 hinter dem Hofgärtnerhaus, dem heutigen Theatermuseum, aufgestellt worden.

Der Hirsch war allerdings kein richtiger Bronze-Guss, sondern ein Galvano-Guss, der im vorigen Jahrhundert für Denkmäler durchaus üblich war. Das heißt, für den Guss konnte mit Hilfe der Galvanotechnik, also der Elektrolyse ein Gemisch verwendet werden, das zu einem Drittel aus Blei bestand. Das Einschmelzen des 400 Kilogramm schweren Hirsches hätte höchstens 200 Kilo Bronzematerial gebracht. Der Hirsch überlebte allerdings vor allem wegen des Kriegsendes im November 1918.

Glück hatte er auch im Zweiten Weltkrieg, als er 1942 der Metallspende für Hitlers Krieg zugeführt werden sollte, wie so manche andere unheldische Gestalt. Er überlebte und wurde 1956 wieder im Hofgarten aufgestellt.

Zuviel Blei im Geweih

Das wegen des hohen Bleigehalts nicht sehr stabile Material allerdings widerstand zerstörerischen Händen nicht, immer wieder büßte der Hirsch Teile seines Geweihs ein. Schließlich wurde ein richtiger Bronzeguss geschaffen und 1980 an der Kaiserstraße im Hofgarten aufgestellt, wie es Peter Krings beschrieben hat und wo er heute noch zu bewundern ist.

1989 äußerte der Berliner Zoo Interesse an dem Original auf dem Düsseldorfer Bauhof. Es wurde in der Kunstgießerei Schmäke restauriert und reiste im Herbst jenes Jahres nach Berlin. Dort im Zoo erhebt er neben dem Verwaltungsgebäude sein stolzes Haupt.

Nachzulesen ist das alles, außer der Berlin-Geschichte, in dem längst vergriffenen Buch „Düsseldorf in Stein und Bronze“ von Hans Maes und Alfons Houben. Die Berlin-Reise des Hirsches hatte zu jener Zeit noch nicht stattgefunden, er stand noch auf dem städtischen Düsseldorfer Bauhof. Und das neue Buch der Düsseldorfer Denkmäler hatte für so ausführliche Information wohl keinen Platz mehr.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Stadtteilnachrichten Düsseldorf-Mitte, 12. August 1997