Gerda Kaltwasser Textforum

Knochenklappern mit Kasperle

Neues Bild- und Sachbuch von Uli Wunderlich: „Der Tanz in den Tod“

Totentanz – Tod und Tanz. In einer Gesellschaft, in der jeder jung, fit und cool erscheinen möchte, erscheint das als Widerspruch an sich. Tod findet nicht statt und wenn, dann nur im engsten Familienkreis. Man will schließlich niemandem mit so etwas auf die Nerven fallen. „Umsonst ist nur der Tod, und selbst der kostet das Leben“ – das wissen wir alle und verdrängen es gerne. In dieses Spiel passt der Totentanz so gar nicht, jenes schaurige Knochengeklapper des Danse Macabre, das in musikalischer und bildnerischer Form in den meisten Kulturen zu finden ist.

Auch in Düsseldorf, ausgerechnet in Düsseldorf, das sich gern eine Hochburg Rheinischen Frohsinns nennen lässt? Aber das ist so wenig ein Widerspruch wie ein Totentanz, denn weder der Karneval noch das Kasperltheater ist dem Gevatter Tod fremd; und sagt nicht der Rheinländer „Spaß muss sein bei der Leich’, sonst geht keiner mit“?

3500 Originale

Ganz ernsthaft: Einer der bedeutendsten Schätze des Instituts für die Geschichte der Medizin an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität ist die Sammlung von 3500 Totentanz-Originalkunstwerken vom Mittelalter bis heute, gegen Licht und Feuchtigkeit geschützt in Stahlschränken. Dort wartet sie darauf, dass der Plan für ein eigenes Museum endlich verwirklicht wird. Düsseldorf ist auch Sitz der „Europäischen Totentanz-Vereinigung“, deren Präsidentin der Deutschen Sektion Dr. Uli Wunderlich ist. Sie veröffentlicht jetzt im Eulen Verlag das Bild- und Sachbuch „Der Tanz in den Tod“, ein Buch, das Antwort gibt auf manche „Letzte Frage“, das gleichzeitig eine Kultur- und Gesellschaftsgeschichte ist, das uns die dumpfe Ablehnung des Gedankens an den Tod nimmt, ohne die Barrieren der Ehrfurcht vor dem Unabänderlichen einzureißen. Dieser Spagat macht das Wesen der Totentanzdarstellungen, auch in nicht-christlichen Religionen wie bei den alten Ägyptern, in der Antike und im Buddhismus, aus.

Verständlich, dass schreckliche Ereignisse des Massensterbens wie Pest und Cholera, der 30-jährige Krieg und die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts regelrechte Wellen von Totentanzdarstellungen hervorbrachten; aufschlussreich, wie die Menschen immer wieder neue künstlerische Wege suchen, das Unbegreifliche in Begriffe zu fassen oder sonst begreiflich zu machen. Dazu gehört eine offene Weltsicht, auch die Erkenntnis, dass die coole Jugend von heute ihre eigenen Ausdrucksformen sucht, musikalische vor allem, Dark Wave und Heavy Metal zum Beispiel; oder ein paar Jahrzehnte früher im Jazz die New Orleans Function.

Dr. Uli Wunderlich: „Der Tanz in den Tod“. Eulen Verlag, 82 Farb- und 117 Schwarzweiß-Abbildungen, 26.80 €

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 14. Januar 2002