Gerda Kaltwasser Textforum

Ende einer Freundschaft

Pater Willehad: Goethe in Pempelfort

Goethe, von Heinrich Heine als „großer Heide“ anerkannt, von praktizierenden Christen jeder Konfession als Deist verabscheut – dieser Goethe also ist Studienobjekt des in Düsseldorf wirkenden Dominikanerpaters Dr. Willehad Eckert; und das nicht erst in dem Jahr, in dem des 250. Geburtstags des Weltkindes Johann Wolfgang Goethe gedacht wird.

Im Stadtmuseum beschäftigte sich der Pater an drei Tagen mit Goethes Stationen am Rhein. Zum Abschluss erlebten Düsseldorfer Goethefreunde ihren „Goethe in Pempelfort“ im Ibach-Saal am Spee’schen Graben. Was nach Abschluss des Vortrags einen Zuhörer zu der berechtigten Frage veranlasste, wieso denn hier und nicht im Jacobi’schen Anwesen in Pempelfort, wo Goethe zweimal, 1874 und 1892, zu Besuch war, und das als Herzstück des „Künstlervereins Malkasten“ noch existiert.

Stadtmuseumsdirektor Dr. Wieland Koenig; „Da war ich vorigen Sonntag, dem letzten Tag der großen Ausstellung im benachbarten Goethe-Museum. In jedem Raum des Jacobi-Hauses standen Modeständer und abgegessene Buffets, und es roch nach Küche.“ Pater Willehad ergänzte diplomatisch leise, aber unüberhörbar: „Das meinte ich, als ich von dem wunderbaren Goethe-Erbe sprach, das wir hier in Düsseldorf haben, und als ich fragte, ob es wohl richtig genutzt wird.“

Goethe in Pempelfort – das sind Anekdoten, zum Beispiel von der Missstimmung, die der zu Streichen aufgelegte junge Goethe zwischen sich und der Pempelforter Familie Jacobi durch freche Zeitungsartikel angefacht hatte. Und von der beruhigenden Einwirkung dreier Damen, die die Wogen glätteten. Oder vom Wein – eine Flasche Goethe-Wein aus dem Hause Brentano erhielt Eckert gestern von beeindruckten Seminar-Hörern. Das sind Familiennamen wie Lavater, Basedow, Brentano. Oder Ortsnamen wie Bad Ems, Neuwied, Köln, Elberfeld, Bensberg und eben Düsseldorf mit seiner (damals noch) berühmten Gemäldesammlung.

Pater Willehads Deutung der Goetheschen Rheinreisen ging weit über das Anekdotische hinaus, stellte Bezugslinien seiner Aufenthalte und Erlebnisse zu Leben, Denken und Werk des Dichters her. So trug schon der 25jährige Dichter des Götz von Berlichingen in Köln seine Ballade vom König von Thule vor, die er Jahrzehnte später in seinen „Faust“ aufnahm. Und das spätere endgültige Ende der Freundschaft zwischen Goethe und Friedrich-Heinrich Jacobi ließ den Dichter wehmütig über die Gründe für das Ende manch freundschaftlicher Beziehung philosophieren. Mit Schiller, so glaubte er, wäre ihm das nie passiert. Der war allerdings viel zu früh gestorben. Aber das musste der Pater nicht sagen vor soviel geballter Klassikerkenntnis im Ibach-Saal.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post, 9. August 1999