Gerda Kaltwasser Textforum

Die Heinzelmännchen haben Glück gebracht
Lieselotte Neuperts Nachkriegsbuch neu gedruckt

Erinnerung an den Dichter August Kopisch

Es gibt betagte Zeitgenossen, die unterscheiden zwischen „den Zeiten, als man noch Gedichte lernte“ und jenen, den heutigen, in denen das aus der Mode gekommen ist. Daran liegt es wohl, daß der Name eines gewissen August Kopisch, 1799 – 1853, bei jüngeren Leuten so gut wie unbekannt ist. Aber wir, wir kennen doch: „Wie war zu Köln es doch vordem mit Heinzelmännchen so bequem...“. Die uralte Kölner Volkssage ist von Kopisch in Reime gefaßt worden, wie noch vieles andere, die Geschichte vom Nöck etwa oder vom „Alizarin-blauen Zwergenkind.“

Die kölschen Heinzelmännchen sind nun in einem von der Düsseldorfer Zeichnerin Lieselotte Mende, geb. Neupert – sie zeichnet oft die Illustrationen im Lokalteil der RP – 1946 illustrierten Buch im Schwann Verlag als Reprint der Nachkriegsausgabe wieder erschienen. Zur Freude großer und kleiner Leser, das ist gewiß; aber auch Anlaß für Lieselotte Mende, an die Zeit vor fast vierzig Jahren zurückzudenken.

Die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf war seit 1944 geschlossen. Der Krieg war zu Ende gegangen. Kunststudenten kamen in die teilzerstörte Akademie, um zu sehen, wann es wieder losgehen würde mit dem Studium. An weiblichen Studenten wurden nur noch zwei gezählt, eine war Lieselotte Neupert. An sie und ihre Vorliebe für eine Heinzelmännchen-Ausgabe aus den zwanziger Jahren mit Zeichnungen von Karl Arnold entsann sich jemand, als der Schwann-Verlag wegen eines Illustrators nachfragte. Der Verlag hatte eine Papierzuteilung von der Militärregierung bekommen und wollte etwas Erfreuliches auf den Markt bringen: die Geschichte von den flinken, fleißigen Männlein, die von einer neugierigen Schneidersfrau ein für alle Mal aus unserem Leben vertrieben wurden.

Lieselotte Neupert begann zu zeichnen, Vorgabe war, daß sie mit zwei Farben auskommen mußte. Mehr konnten nicht gedruckt werden. Das Buch wurde zu einem Zauberschlüssel. Weil mit dringendem Auftrag versehen, wurde die junge Künstlerin nicht zum Trümmerräumen dienstverpflichtet. Weil das Buch begehrt war, zum Beispiel auch als Mitbringsel der Besatzungssoldaten für die Lieben daheim, war es Tauschobjekt für begehrenswerte Sachen wie große Schokoladeriegel.

Von einem Ladenpreis in Höhe von 3,85 Mark (Reprint 14,80) kann man heute nur noch träumen, ebenso von der zehnprozentigen Beteiligung am Preis für Lieselotte Neupert. Sie erinnert sich an „dicke Tausender“, die sie damals verdient hat, Reichsmark, versteht sich. Die Popularität des Buches wurde gesteigert, als sich ein Karnevalsschlager durchsetzte mit dem Refrain: „Wenn doch die Heinzelmännchen kämen und hier den Brassel übernähmen.“ Kurzum, Lieselotte Neupert sagt: „Das Buch hat mir Glück gebracht, auch später.“ Und sogar heute noch.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 8. April 1983