Gerda Kaltwasser Textforum

Poetischer Versprecher im Salon

Elisabeth Büning-Laube macht mal Pause. Vortrag über Rahel Varnhagen

„Unsere kleine Rahel Varnhagen“ nennt sie Professor Wilhelm Gössmann und nimmt sie herzlich in den Arm, die Varnhagen mit dem Namen Elisabeth Büning-Laube. Im fünften Jahr führt die Schriftstellerin und Malerin in ihrer Wohnung an der Collenbachstraße einen Salon im Stile Rahels, in deren Räumen im Berlin des frühen 19. Jahrhunderts sich der junge Düsseldorfer Heinrich Heine und die Brüder von Humboldt, um einige zu nennen, trafen.

Die Gastgeberin hat ihr Erspartes in die Veranstaltungen gesteckt, Künstlerinnen und Künstler, jung und älter, bekannt oder vor dem Bekanntwerden, fragen nicht nach Gage; Geld aus öffentlichen Kassen ist nicht zu erwarten. Elisabeth Büning-Laube muss die Termine für „KunstLive“ reduzieren und ins Internet ausweichen, nächster Salon ist im September. „Nun habe ich Zeit zum Malen und Schreiben“, tröstet sie sich und uns.

Unglaublich – in diesem Kunst-Salon sind nicht die Damen, wie sonst üblich, in der absoluten Überzahl, Herren gehören in beachtlicher Menge zu den Applaudierenden, zum Beispiel für die südamerikanische Sängerin und Gitarristin, die in Düsseldorf unterrichtet und die immer wieder um Zugaben gebeten wird.

Aufblitzender Schalk

Oder für Wilhelm Gössmann, der den Schalk aus seinem neuen Roman „Die sieben Männer“ blitzen lässt. Oder für die Schriftstellerin Waltraud Bäuerle-Rath aus Wuppertal, die uns einen zauberhaft poetischen Versprecher gönnt: „Im Winter haben die Blumen Eisfenster.“

So ein Salon lebt aus der Improvisation und davon, wie diese von der Gastgeberin gemeistert wird. Varnhagen-Spezialist Dr. Nikolais Gatter konnte nicht kommen, Förderpreisträgerin Pamela Granderath kommt ein anderes Mal. Statt Pamela nun Gössmann, statt Gatter Ariane Neuhaus-Koch und Elisabeth Ulrich. Deren Thema ist auch jene Salon-Rahel, die als beste deutsche Goethe-Kennerin galt und ihren Mann Karl August Varnhagen von Ense bat: „Grüße den Gott“, als der Goethe besuchte. Sie wiederum war für Goethe die „schöne Seele“. Ariane Neuhaus-Koch von der Heine-Uni durchleuchtet das entkörperlichte Verhältnis beider, Elisabeth Ulrich liest aus Rahels Briefen und alle wundern sich über soviel Schwärmerei. Doch Neuhaus-Koch hat dafür einen ganz modernen Begriff, für sie ist es „Goethe-Promotion“, dann ist KunstLive eben Kunstpromotion.

Die Handlung, ganz wirklich und wirklich traumhaft, spielt in Marokko zwischen Tanger und der Sahara. Ein Vater macht sich mit seinem noch nicht zehnjährigen Sohn auf die Suche nach der verschwundenen Frau, der Mutter des Kinds. Das ist nicht das Marokko der Agadir-Touristen, auch nicht das der Studienreise-Touristen in den Königsstädten.

Es ist das Marokko, das sanft übergleitet vom noch immer französisch beeinflussten Nordafrika zum Schwarzafrika mit all seinen uns Europäern unzugänglichen Wundern. Es ist das Land, in dem sich Nachrichten auf unerklärliche Weise auch ohne Telefon, aber auch ohne Buschtrommeln verbreiten, das Land, in dem in einsamer Weite plötzlich Menschen wie aus dem Boden gestampft vor uns stehen. Aber auch ein Land voller atemberaubender Naturschönheiten, die SchriftstellerInnen wie Isabel Eberhard, Paul Bowles, Elias Canetti nie wieder losließen: die den Maler und Dichter Hans Werner Geerts bis heute festhalten.

Der Niederrheiner Willi Achten hat sein Arbeitsstipendium des Landes NRW gut genutzt. Am Donnerstag, 27. Januar, um 20 Uhr liest er im Schnablewopski an der Bolkerstraße 53 aus seinem Roman. Dr. Karin Füllner stellt den Autor vor.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post, 14. Februar 2000