Gerda Kaltwasser Textforum

Schreiben, handeln mit Hirn und klarem Witz

Freundin der Autoren: Lore Schaumann wird 80

„Was, 80 werden Sie? Das sieht man Ihnen aber nicht an.“ Solche Floskeln verbieten sich bei Lore Schaumann. Sie ist bekennende, aber keineswegs kokettierende Achtzigerin. Wie kann das anders sein bei einer Frau, die mit einer Krankheit geschlagen ist, bei der das tägliche kleine Elend den großen Weltschmerz mühelos verdrängt. Da ist es kein Trost, dass es eine Krankheit von Berühmten in aller Welt ist. Soviel und nicht mehr davon.

Zu feiern ist eine Frau, die schreibend die Fürsprecherin, nein die Fürschreiberin vieler Schriftsteller-Talente in Düsseldorf gewesen ist, zunächst als Literatur- und Theaterkritikerin der Rheinischen Post, dann als Mitbegründerin und verlässliche Partnerin Rolfrafael Schröers im Düsseldorfer Literaturbüro, inzwischen Literaturbüro NRW. Versteht sich, dass es – wie der Schriftstellerverband und das Heine-Institut – Mitveranstalter einer Geburtstagsfeier am 2. April ab 11 Uhr im Heinrich-Heine-Institut ist.

Lore Schaumann hat übrigens am 3. April Geburtstag. Abergläubisch ist sie also nicht; sonst hätte sie die Gratulationscour einen Tag vorher nicht zugelassen. Da passt auch gleich eine Erinnerung aus dem RP-Haus ins Bild, ehe die eigentliche Würdigung ihres Wirkens folgt: Lore Schaumann bekam von der Feuilletonredaktion den Auftrag, über einen Vortrag Erich von Dänikens zu berichten.

Kritisches Wohlwollen

Der hat uns, das muss man jüngeren Lesern erklären, in den siebziger Jahren die Existenz von außerirdischen Wesen und deren Landungen aus dem Weltall, etwa auf dem südamerikanischen Kontinent, beweisen wollen. Für Lore Schaumann war das nicht etwa eine Lachnummer, sondern die Aufgabe, ernsthaft, aber mit Ironie gepaart, über Dänikens Ausführungen zu berichten. Körbeweise mussten wütende Leserbriefe auf die Redaktionstische gekippt werden.

Geboren 1920 in der Rubens-Stadt Siegen im südlichen Westfalen, war sie früh allem Schönen mit jener Ernsthaftigkeit zugeneigt, die ihr hin und wieder das Verständnis für spielerische Dekadenz, wie wir sie im Theater der siebziger Jahre und auch heute noch bejubeln, schwer machten.

Schwere Treppen nie gescheut

Aber genau dieser Ernst, diese ungeheuchelte Aufmerksamkeit, ein Wohlwollen, das nie unkritisch war, machte sie zum Wegweiser, zur verlässlichen Begleiterin junger und auch nicht mehr ganz junger Autorinnen oder Autoren; ihnen sind die Gespräche im Literaturbüro damals an der Bilker Straße, nach Erklettern einer furchterregend knarrenden Treppe, für immer unvergessen. Zweimal veröffentlichte sie unter dem Titel „Düsseldorf schreibt“ Autorenporträts in Buchform, einmal stellte sie 44, danach 22 vor; 22 nur aus Platznot, nicht wegen Mangels an Talenten.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. So ist es nur einleuchtend, dass Alla Pfeffer, seit vorigem Herbst an der Spitze des Bezirksverbandes Düsseldorf/Neuss im Verband deutscher Schriftsteller (VS), zur Geburtstagsfeier für Lore Schaumann den Nachwuchs lesen lässt: Pamela Granderath, Peter Philipp, Regina Ray. Auch Otto Vohwinkel liest und Jens Prüss, einst selbst leitender Literaturbürokrat, liest einen Text von Lore Schaumann. Das Schönste aber: Lore Schaumann will kommen, und wir Geburtstagsgäste werden noch eine neue musische Seite von ihr entdecken können, die der ausgebildeten Liedsängerin mit einer Einspielung von Brahms-Liedern.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 30. März 2000