Gerda Kaltwasser Textforum

Ironiestempel

Polnische Autoren lasen

Das hat man lang nicht gesehen: zwei verhältnismäßig junge Männer, Mitte vierzig, rauchen, wie man es bei uns im Zeitalter der Health Correctnes nicht mehr kennt, die Fluppe lässig im Mundwinkel oder zwischen Mittel- und Ringfinger. Kein hektisches Saugen zwischen Tür und Angel.

Auch sonst sind sie beneidenswert unabhängig, holen sich nach Gusto Wein oder Wasser, lassen sich vom Besuch, der wegen Schönwetter und Fußball stark eingeschränkt ist, in der Reihe „Mit Europäischem Blick“ im Heinrich-Heine-Institut die Laune nicht verderben. Kurzum, es wird ein gemütlicher Abend mit den beiden polnischen Schriftstellern Dariusz Muszer und Janusz Rudnicki.

Außerdem sprechen und schreiben beide gut Deutsch – so gut, dass selbst ihre Ironie gut ankommt, etwa wenn Muszer den Akzent mimt, den er eigentlich nicht hat. Oder wenn Rudnicki seine Erfahrungen als Statist bei den ewigen Dreharbeiten im ehemaligen KZ Auschwitz schildert oder die „Emigranten“-Stempelei tagaus, tagein der deutschen Grenzbehörden; obwohl doch jeder Pole „die Grenze zwischen den Beinen“ hat.

Lustig – oder vielleicht gar nicht so lustig? Es dauert nicht lange, da schmecken die rund 20 Besucher in der Heine-Bibliothek die Bitterkeit dieser sehr polnischen Ironie, gespeist aus einem Freiheitsdrang, der immer wieder eingedämmt wurde, aus einer leidvollen Vergangenheit, die immer noch Gegenwart ist.

Der deutsche Dichter Heinrich Heine hat diesen bitteren Geschmack der polnischen Freiheitsliebe gekannt; er hat ihn versüßt durch das Preislied der polnischen Frauenschönheit – später wurde daraus ein Operettenlied. Geholfen hat das weder den Polen noch den Deutschen bei ihrer schwierigen Nachbarschaft. Aber vielleicht helfen Sprechen, Schreiben und Lesen und eine lässig gerauchte Zigarette, wie im Heine-Institut.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post, 18. Mai 2002