Gerda Kaltwasser Textforum

Puschkin als Goethe-Fan

Professor Keil referierte im Schloss Jägerhof

Goethe-Puschkin, Mephisto-Faust, Onegin-Lenskij: Zwischen Namen, geschichtlichen und fiktiven, stellte Professor Dr. Rolf-Dietrich Keil Beziehungslinien her, schuf daraus ein Geflecht von Beziehungen zwischen dem deutschen Dichter Johann Wolfgang Goethe, 250, und dem russischen Dichter Alexander Puschkin, 200, bei einem Vortrag im Goethe-Museum in Schloss Jägerhof, „Puschkin und Goethe“.

Sie haben einander nicht kennengelernt. Umstritten ist, ob von einem Einfluß des jüngeren, Puschkin, auf den älteren, Goethe, gesprochen werden kann. Goethe sprach nicht Russisch, Puschkin kaum Deutsch, aber beide hätten sich in französischer Sprache verständigen können, und literarisch interessierte Russen gab es in großer Zahl am Weimarer Hof zur Goethezeit.

Unumstritten hingegen ist der Einfluß von Goethes Werk, in erster Linie des „Faust“, auf Puschkin, dessen „Szene aus dem ‚Faust‘“ Alexander Nitzberg im Grupello Verlag in Düsseldorf übersetzt und veröffentlicht hat. Doch auch Puschkin-Kenner Keil gibt „die zuweilen schwer zu entdeckende Anwesenheit Goethes bei Puschkin“ zu bedenken. Immerhin befand sich eine Schreibfeder Goethes in Puschkins Besitz, finden sich kurze deutschsprachige Einsprengsel – Goethe-Zitate – in seinen Schriften, hat Puschkin Goethe „unser deutscher Patriarch“ genannt, war die erste Übersetzung der Helena-Szene aus dem zweiten Teil des „Faust“ eine in die russische Sprache, Puschkins Mitwirken daran ist aber nicht eindeutig zu belegen.

Eine Randnote nur, aber wichtig für eine Einschätzung des so gar nicht provinziellen geistigen Lebens im Europa der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der Heine-Freund und Goethe-Verehrer, der aus Düsseldorf stammende Diplomat und Autor Karl August Varnhagen von Ense, erlernte noch im Alter die russische Sprache, unter anderem, um Puschkin im Original lesen zu können.

Bei einer Straßenumfrage in Moskau zu Puschkins 200. Geburtstag, so erzählte Keil, gab es keinen der Zufallsgesprächspartner, der nicht einen Puschkin-Text wortgetreu hätte zitieren können. Eine Straßenumfrage zum 250. Geburtstag Goethes in Frankfurt fiel da anders aus.

Professor Keil zeigte sich in beiden Sätteln als meisterlicher Reiter und kündigte als nächstes eine Untersuchung des Themas Puschkin-Mozart an. Immerhin geht der Film „Amadeus“ auf Puschkins Dichtung „Mozart und Salieri“ zurück. Auch sie wurde von Alexander Nitzberg für den Grupello-Verlag übersetzt. Vielleicht wird sogar eine (Rhein-)Oper daraus.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. , 18. September 1999