Gerda Kaltwasser Textforum

„Mit den Bildern auf der Straße“

Vorzeitige Kündigung für 38 Künstler im alten Schwietzke-Werksgelände

Vom ersten Augenblick an, das war bei einigen vor fast zehn Jahren, wussten die jungen bildenden Künstlerinnen und Künstler im Schwietzke-Fabrik-Gelände an der Münsterstraße, dass ihr kreatives Schaffen hier nicht von Dauer sein würde. Nun aber geht es für die 38 Künstler und Künstlerinnen, dazu fünf Rockbands, atemberaubend geschwind. Bis Ende Juni müssen sie, so das Liegenschaftsamt, die alten Fabrikhallen räumen, in denen sie bisher arbeiten oder proben konnten. Zwar ist es kalt und zugig hier, Feuchtigkeit verursacht Rheuma und Dauerschnupfen. Aber es ist wenigstens Platz für Mensch und Material. Demnächst „stehen wir mit unseren Bildern auf der Straße“.

Hinzu kommt, dass einige auch die Wohnung verloren haben, da die Häuser, in denen sie wohnten, zwangsversteigert wurden. Guter Rat ist teuer. Ratlos mit den Künstlern in der Runde saßen gestern Ursula Gonella (FDP), Gisela Kruchen (CDU) und Marit von Ahlefeldt (Grüne), drei Kultur-Ratsfrauen. Die Künstler haben Namen, wurden durch hochrangige Stipendien ausgezeichnet, haben mit Aktionen und Projekten Düsseldorfs Ruf als Kunststadt untermauert. Jetzt sehen sie keine Arbeitsmöglichkeit mehr, da das Werksgebiet für den Wohnungsbau gebraucht wird, da leere Schulen für Aussiedler zur Verfügung gestellt werden müssen und vorhandenes Gelände für lukrativere Projekte verkauft oder vermietet wird. Die Grundstückspreise und die Mieten steigen, auch für Lagerhallen, die vor ein paar Jahren noch für n‘Appel und n’Ei zu haben waren.

Übrigens stießen zur Gruppe von der Münsterstraße noch andere Künstler in Not. Am Heerdter Lohweg verlieren sie in 14 Tagen ihre Bleibe.

Die Düsseldorfer Wirtschaft wird aufgerufen, leerstehende Hallen, die für einige Zeit nicht genutzt werden, zur Verfügung zu stellen. Die Ratsfrauen wurden von vorläufig noch sehr maßvollen Künstlerinnen und Künstlern in die Pflicht genommen, das Projekt Jagenberg-Gelände, das seit Jahren verschleppt wird, beschleunigt voranzutreiben. Denn dort gibt es Hallen, die wenigstens im Sommer genutzt werden können. Und schließlich ist auf dem Schwietzke-Gelände noch eine halbe Halle „unverplant“. Hier hatten einmal Ateliers eingerichtet werden sollen.

Gerda Kaltwasser
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 14. April 1989