Anna Klapheck Textforum

Biografische Skizze zu Anna Klapheck

von Ariane Neuhaus-Koch

Als vierte Tochter des Internisten und Begründers der Neuropathologie Adolf von Strümpell (Jg. 1853) und seiner Frau Anna (geb. Langerhaus) wird Anna von Strümpell am 12. Mai 1899 in Erlangen geboren. Als Anna vier ist, erhält der Vater einen Ruf an die Universität Breslau. Dort besucht sie von 1906 bis 1909 eine private Mädchenschule. Professor Strümpell folgt 1910 einem Ruf an die Universität Leipzig; er wird auch Direktor der Medizinischen Universitätsklinik. Anna besucht in Leipzig eine Höhere Mädchenschule; nach dem Abitur absolviert sie 1918 eine Haushaltsschule in Gaienhofen (Bayern). Es folgt eine Buchbinderlehre von 1919 bis 1921 mit dem Gesellenbrief als Abschluss.

Im Wintersemester 1921 beginnt sie 22-jährig ein Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie in Leipzig, Berlin und Marburg. Hier gelangt sie in den inneren Zirkel um den Philosophen Nicolai Hartmann. Dieser bietet ihr Dissertationsthemen zur Wahl an, doch sie verlagert ihr Interesse auf die Kunstgeschichte. Der Tod des Vaters am 10. Januar 1925 trifft sie sehr. Das Studium schließt sie wenige Monate später am 22. Juli mit der Promotion in Kunstgeschichte bei Professor Heinrich Richard Hamann ab, der bei Wölfflin habilitiert hatte. Die Dissertation „Die Ikonographie des Heiligen Hieronymus im Gehäus“ wird mit der Bestnote summa cum laude bewertet.

Zurück in Leipzig arbeitet sie zunächst am Museum für bildende Künste und bis 1927 als kunsthistorische Beraterin im Leipziger Kunstverlag C. G. Boerner. Im Auftrag des Verlags recherchiert sie in Düsseldorf, wo sie mit Richard Klapheck (Jg. 1883) zusammentrifft, der seit 1918 Professor der Kunstgeschichte an der Kunstakademie ist und Ständiger Sekretär, d. h. Stellvertreter des Direktors. Es entwickelt sich eine engere Beziehung, die am 17. März 1927 in eine Heirat einmündet. Anna Klapheck unterstützt in den folgenden Jahren viele kunsthistorische Buchprojekten ihres Mannes durch begleitende Recherche. Sie lernt bedeutende Professoren der Kunstakademie kennen und schätzen, besonders jene, die von Direktor Walter Kaesbach neu berufen wurden: Heinrich Campendonk kam 1926 nach Düsseldorf, Paul Klee 1931, Ewald Mataré und Oskar Moll 1932.

Nachdem die von Kaesbach berufenen Professoren und er selbst von den Nationalsozialisten 1933 entlassen worden sind, wird 1934 Richard Klapheck ebenfalls entlassen. Er arbeitet und publiziert weiterhin sehr intensiv zu Architektur und Kunststätten im Rheinland. Am 10. Februar 1935 wird der langersehnte Nachwuchs, Sohn Konrad, geboren. Im gleichen Jahr kommt nach der Dissertation eine erste größere Darstellung von Anna Klapheck im Druck heraus, der Kunstführer „Die Mosel“. Im Juli 1936 zieht die Familie in ein selbstentworfenes Haus, in die Mozartstraße 2. Sie gibt kunsthistorische Kurse, die sehr nachgefragt werden.

Richard Klapheck stirbt nach langer schwerer Krankheit 56-jährig am 23. Juni 1939; der Sohn Konrad ist erst vier Jahre alt. Während des Krieges wird Düsseldorf mehrfach bombardiert. Anna Klapheck versucht, den Luftangriffen 1942 zu entgehen, indem sie in ihr Elternhaus in Leipzig flüchtet. Doch nach dem Tod der Mutter und der Zerstörung des Leipziger Hauses 1943, in dem die aus Düsseldorf gerettete rheinische Bibliothek und die Schriften und Notizen ihres Mannes auch vernichtet werden, muss sie weiter fliehen. Sie gelangt mit dem Sohn ins Erzgebirge, wo sie in einem Gutshaus von Freunden im Dörnthal den Einmarsch der russischen Armee unbeschadet übersteht. Die Rückkehr nach Düsseldorf gelingt im November 1945.

Beruflich versucht sie, nach der Lizenzerteilung für die ersten Zeitungen in der britischen Besatzungszone als Kunstkritikerin zu arbeiten, zunächst ab Juni 1946 für das Düsseldorfer „Rhein-Echo“, wo sie über die Kunstszene außerhalb von Düsseldorf berichtet und wenig später für die „Westdeutschen Rundschau“ aus Wuppertal. Auf deren Düsseldorfer Seite ist sie zuständig für die Berichterstattung über Theater und bildende Kunst. Ebenfalls Beiträge für die „Rheinische Post“ zu schreiben, dazu motiviert sie der dortige Feuilletonleiter, Dr. Marc Aurel Stommel. Am 28. September 1946 erscheint ihr erster Artikel in der RP über „Bertha von Suttner – Wegbereiter der Demokratie“ (hier im Text-Forum nachzulesen). Anna Klapheck beginnt im gleichen Jahr mit kunsthistorischen Dia-Vorträgen, in denen das Vorstellen von Werken der in der NS-Zeit verfemten und verfolgten Maler den Schwerpunkt bildet.

Als Dozentin für Kunstgeschichte arbeitet sie seit dem 1. Mai 1952 an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1962 erhält sie den Professorentitel und den Lehrstuhl, den bereits ihr Mann innehatte. Bis 1966 lehrt sie an der Kunstakademie. Diese Zeit als Dozentin und Professorin ist die produktivste in Anna Klaphecks Berufsleben. Sie recherchiert und publiziert zur Avantgarde im Düsseldorf der 20er Jahren mit dem Buch über „Mutter Ey – eine Düsseldorfer Legende“ (1958), das nach mehreren Auflagen den Westdeutschen Rundfunk zu einem Fernsehfilm unter ihrer Mitwirkung animiert (ausgestrahlt am 28. Februar 1984).

1958 erscheint die erste relevante Würdigung des Malers und Düsseldorfer Professors für Malerei Bruno Goller, dessen besondere Bedeutung als magischer Realist sie herausarbeitet. Dem Bildhauer und Maler Ewald Mataré, der nach seinem Ausschluss aus der Akademie im Jahr 1933 seit 1945 wieder in Düsseldorf lehrt (bis 1957), ist sie freundschaftlich verbunden. 1960 dokumentiert sie in einem aufwendigen Bildband „Ewald Matarés Türen und Tore“. In den 80er-Jahren beschäftigt sie sich noch einmal intensiv mit weniger bekannten Teilen des Werks von Mataré und gibt 1983 seine „Aquarelle 1920 – 1956“ heraus.

Auf das herausragende Wirken des von den Nazis entlassenen Direktors der Kunstakademie Walter Kaesbach geht sie 1961 in einem Sonderdruck der Kunstakademie ein: „Walter Kaesbach und die Zwanziger Jahre an der Düsseldorfer Kunstakademie“. Mit der Monographie über den polnischen Maler „Jankel Adler“ von 1966, der in den 20er Jahren die Düsseldorfer Avantgarde-Szene wesentlich mitprägte, würdigt sie auch als Erste das bis dato verstreute und zum Teil verschollene Werk des durch die Nationalsozialisten verfolgten Künstlers.

Im Jahr ihrer Russlandreise, die sie außer zu den großen Museen in Moskau und Petersburg auch zu den Gedenkstätten der von ihr verehrten großen russischen Autoren wie Tolstoi oder Puschkin führt, erscheint 1972 in der renommierten Reihe „Deutsche Lande - Deutsche Kunst“: ihre „Düsseldorf“-Hommage. Dieses Buch über die Verbindung von Geschichte und Kunst ihrer Wahlheimat mit einem zentralen Bildteil der hervorragenden Fotografin Ruth Hallensleben wird mehrere Auflagen erzielen. Für ihre Verdienste um „die rheinische Kulturpflege“ erhält sie im Juli 1979 vom Landschaftsverband den Rheinlandtaler. Am Ende des gleichen Jahres kann sie mit dem Sammelband „Vom Notbehelf zur Wohlstandskunst. Kunst im Rheinland der Nachkriegszeit“ eine Summe ihres mehr als 30-jährigen Wirkens als Kunstjournalistin ziehen und ein eindrucksvolles, facettenreiches Panorama der rheinischen Kunstszene entfalten.

Von den vielen Ehrungen, mit denen sie gewürdigt wurde, ist noch die Verleihung der Mutter-Ey-Plakette durch den Heimatverein „Düsseldorfer Weiter“ im Jahr 1983 hervorzuheben. Seit ihren journalistischen Anfängen befasste sich Anna Klapheck neben der Kunstgeschichte mit literaturgeschichtlichen Themen. Ihre literarische Liebe gilt Ricarda Huch und ihre große Verehrung gilt Johann Wolfgang von Goethe; die Goethe-Sammlung des Insel-Verlegers Anton Kippenberg hatte sie schon in Leipzig kennen gelernt. Und so resümiert sie mit Sachverstand und Engagement mehr als 25 Jahre lang die im Goethe-Museum gehaltenen Vorträge und Gedenkstunden. 1984 gibt der Direktor des Goethe-Museums, Jörn Göres, 60 dieser anregenden Beiträge als Sammelband unter dem Goethe-Motto heraus:

„Viele Gäste wünsch’ ich heut’. . .“.

Am 25. Februar 1986 stirbt Anna Klapheck, plötzlich aus dem Schreiben gerissen, in der Mozartstraße 2. Von der großen Lücke, die ihr Tod im Düsseldorfer Kulturleben hinterlässt, zeugen der Nachruf und die Stimmen zu ihrem Wirken, die auf diesen Seiten nachzulesen sind.