Anna Klapheck Textforum

Goethes und Schillers Verleger

Prof. Zeller sprach im David-Hansemann-Haus über Johann Friedrich Cotta

Der „Freundeskreis des Goethe-Museums“ hatte einen profilierten Gast: Professor Bernhard Zeller, Dierktor des Schiller-Nationalmuseums (Marbach/Neckar), sprach über Johann Friedrich Cotta, den bedeutendsten Verleger der Goethezeit. Der Marbacher Archiv betreut seit 20 Jahren den gesamten Nachlaß Cottas, bestehend aus etwa 150 000 Briefen und vielen tausend Büchern – ein noch unausgeschöpfter Quell für die Wissenschaft. Auch eine Biographie Cottas steht noch aus.

Der Vortragende schilderte eingangs Lebensgang und Persönlichkeit dieses „Königs der Verleger“. Cotta, dem „lebhafte Gemächlichkeit“ nachgerühmt wurde, war nicht nur Verleger, sondern auch Politiker. Er war Mitglied des Württembergischen Landtags und vertrat die Interessen des deutschen Buchhandels – vor allem hinsichtlich Zensur und Nachdruck – auf dem Wiener Kongreß. Auch an wirtschaftlichen Unternehmen war er beteiligt. Mit aller Leidenschaft kämpfte er für die bürgerliche Gleichstellung der Juden.

Cotta übernahm den Verlag im Jahre 1787 und führte ihn aus kleinen Anfängen zu weltweiter Bedeutung. Der Inhalt der von ihm verlegten Bücher war ihm ebenso wichtig wie ihre buchtechnische Gestalt. In späterer Jahren gründete er eine Niederlassung in München, die auf die Herstellung von illustrierten Büchern und Mappenwerken spezialisiert war und einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Lithographie leistete. Neben schöngeistigen Werken erschienen in seinem Verlag auch Reiseliteratur, naturwissenschaftliche Bücher und sogar ein Werk über Pferdezucht, alle mit Kupfern versehen.

An Hand einer langen Folge von Lichtbildern, in deren Verlauf Porträts, Briefseiten, Buchtitel, Verlagsverträge, Honorarkonten, alle im Besitz des Archivs, auf der Leinwand erschienen, fügte Professor Zeller im zweiten Teil seines Vortrags mosaikartig nochmals ein Bild des großen Verlegers zusammen. Die entscheidende Wende für den Verlag kam durch die Begegnung mit Schiller und die bald darauf erfolgte Gründung der Zeitschrift „Die Horen“ (1794), für die Cotta die besten Köpfe der Nation als Mitarbeiter gewann. Schiller blieb dem Cottaschen Verlag bis zu seinem Tode treu. „Auf den Wallenstein dürfen Sie sich freuen“, schrieb er an Cotta.

Schiller vermittelte auch die Verbindung mit Goethe, der auf einer seiner Schweizer Reisen bei Cotta in Tübingen zu Gast war. Cotta verband seine Reisen zur Leipziger Messer mit regelmäßigen Besuchen in Weimar. Goethe war für seinen Verleger kein einfacher Autor; seine Geldforderungen waren hoch, Cotta wußte sie aufs großzügigste zu befriedigen. Für die Gesamtausgabe in 20 Bänden zahlte er Goethe jährlich 16 000 Taler. Goethe, der seine Briefe im allgemeinen diktierte, schrieb an Goethe meist mit der Hand, zumindest setze er die Geldsummen eigenhängig ein.

Auch Wieland, Herder, Schlegel, Schelling, Jean Paul, später Uhland, Schwab, Mörike waren Autoren des Cottaschen Verlags. Kleists „Penthesilea“ nahm Cotta ungelesen an und zahlte dem Dichter einen Vorschuß von 150 Talern – nachher war er von dem Werk gar nicht sonderlich begeistert. Den zweiten Teil des „Faust“ konnte er noch gerade in Händen halten; er starb 1832, im gleichen Jahr wie Goethe. Sein Sohn Georg führte den Verlag weiter, Almanache, Zeitschriften spielen weiterhin eine wichtige Rolle. An der „Augsburger Allgemeinen“ arbeitete Heine mit, das „Morgenblatt“ war bis 1865 die wichtigste deutsche Kulturzeitschrift.

Gewiß gab es zwischen dem Verleger und seinen Autoren auch gelegentliche Zwistigkeiten, die Cotta jedoch noblen Sinns stets zu bereinigen wusste. Von seiner Persönlichkeit waren alle, die ihm je begegnet sind, beeindruckt. Alexander v. Humboldt nannte ihn „einen der merkwürdigsten Männer seiner Epoche“, und Heine schrieb 1852, Cotta „habe die Hand über die ganze Welt“ gehalten. – Der fesselnde Vortrag fand lebhaften Beifall.

K-k
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Feuilleton, 1. Mai 1972