Anna Klapheck Textforum

Mittlerin einer sich weitenden Kunstwelt

Zum Geburtstag der Kritikerin und Schriftstellerin Anna Klapheck

Als Anna Klapheck 1927 aus Leipzig an den Rhein kam nach Düsseldorf, war sie die Frau Richard Klaphecks, des Kunsthistorikers der Düsseldorfer Akademie, eine junge Frau, deren anziehende Erscheinung sich mit dem frischen Charme einer sich formenden Persönlichkeit rasch die gesellige Welt der lebendig pulsierenden Stadt zu erobern wußte.

Heute bald ein halbes Jahrhundert danach, ist Anna Klapheck die Mutter des Malers Konrad Klapheck, der längst jenseits der Düsseldorfer Kunstszene in die internationale Zone des künstlerischen Lebens der Gegenwart aufgerückt ist.

Die Jahrzehnte nach dem Kriege aber gehörten in wachsendem Maße Anna Klapheck selbst. Damals musste die am 12. Mai 1899 in Erlangen geborene Tochter eines Arztes, der 1923 in Moskau am Krankenlager Lenins gestanden hatte, lernen, ihr eigenes Leben zu formen und zu meistern. Es ist die Zeit, als die promovierte Kunsthistorikerin den Weg in die Presse, zur Rheinischen Post, fand. Für viele Menschen wurde sie hier zur Mittlerin der sich immer mehr weitenden Welt der Kunst (Ausstellungen der Ruhrfestspiele, des Kulturkreises der Deutschen Industrie, der Kasseler Documenta). Wenige Jahre danach fand sie dann den Weg zur Düsseldorfer Kunstakademie, wo sie der nach Freiheit strebenden Jugend die großen Maßstäbe der Geschichte vor Augen zu stellen verstand (1952 bis 1964).

Nach Lehrjahren im Leipziger Museum und im noblen Kunsthandel (C. G. Boerner) war Anna Klapheck einst die so ganz andere Welt der Düsseldorfer Akademie mit Walter Kaesbach an der Spitze oder die Sphäre des Schauspielhauses der Dumont zur neuen Lebensbasis geworden. Die Erinnerung der wenigen schönen glücklichen Jahre vor 1933 an der Seite Richard Klaphecks überglänzen noch immer ihr Dasein. 1933 hatte Mataré oder Campendonk sein Amt an der Akademie verloren. 1939, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, starb er, viel zu früh, ein rheinisch fabulierfreudiger, letzthin konservativer Geist.

Die Stunde der Kunstschriftstellerin sollte, nach einem frühen, reizvollen Moselbuch, erst gegen Ausgang der fünfziger Jahre schlagen. Mit dem Band „Mutter Ey“ (Droste Verlag 1958), der Gestalt, Leben, Umwelt und künstlerischen Kreis der „meistgemalten Frau Deutschlands“ zu beschwören unternahm, gelang gleich der Griff ins Rheinische und Düsseldorfische. Mit sicherem Blick – von persönlichen Erinnerungen der Künstler-Mutter durchflochten – war die hoffnungsfrohe Zeitspanne des Jahrzehnts nach dem Ersten Weltkrieg eingefangen: die berühmten Hauptfiguren von Wollheim, Pankok oder Trillhase über Max Ernst und Otto Dix bis hin zu Jankel Adler, Hundt und Pudlich, die ersten Jahre des „Jungen Rheinland“, wie die Kämpfe, Kräche und Prozesse innerhalb der Künstlerschaft um das „rote Malkästle“. Umsichtig waren hier auch die Dokumente jener unruhigen, längst unwiderbringlich vergangenen Jahre gesammelt in Gestalt von Versen und Fotos., Zeitschriften, Zeichnungen und Karikaturen, Bildern und Plastiken.

Für den stillen, der Dingwelt verschworenen, spät zu äußerem Erfolg gelangenden Maler Bruno Goller (übrigens der Lehrer Konrad Klaphecks an der Düsseldorfer Akademie) schlug Anna Klapheck im gleichen Jahr in der Reihe der vom Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Reihe der „Monographien zur bildenden Kunst unserer Zeit“ eine nachhaltig wirkende Bresche.

Einem anderen Einzelgänger, dem aus Polen stammenden, 1949 in der Emigration in England gestorbenen Maler Jankel Adler, der in dem Jahrzehnt vor 1933 einer der anregendsten Köpfe innerhalb der rheinischen Künstlerschaft gewesen war, galt 1966 eine weitere Monographie derselben Reihe. Über den „Sinn des Tores“ verstand Anna Klapheck in einem den „Türen und Toren“ Ewald Matarés gewidmeten Bildband (Scherpe Verlag) zu meditieren.

In der seit einem Vierteljahrhundert nicht abreißenden Kette der Publikationen über Düsseldorf setzte schließlich 1972 ihre im Rahmen der angesehenen Städtebücher des Deutschen Kunstverlages herausgekommene Darstellung der Landeshauptstadt einen markanten Akzent. Der Band dürfte ähnlich wie das 1914 in der Reihe „Stätten der Kultur“ erschienene Buch von Heinz Stolz für lange Zeit beispielhaft bleiben.

Der Kreis hat sich gerundet. Wie Anna Klapheck einst von Richard Klapheck auch für Düsseldorf gewonnen wurde, so hat sie selbst Düsseldorf, seiner Kunst und Kultur, in ihrem mannigfaltigen Wirken als Kritikerin, Historikerin und Schriftstellerin den Tribut gezollt. Dieser Blick auf ihr Leben mag so zugleich Dank und Gruß für eine Lebensleistung umschließen.

M. A. Stommel
In: Rheinische Post. Feuilleton, 10. Mai 1974