Anna Klapheck Textforum

Kultur als erlebte Geschichte

Zum Tode der Düsseldorfer Kunsthistorikerin und Kritikerin Anna Klapheck

Bis zuletzt hat sie lebhaft am Kulturleben ihrer Stadt teilgenommen – und auch ihre Beobachtungen veröffentlicht. Jetzt ist ihre Stimme, die stets Gewicht hatte und Respekt einflößte, verstummt: Die Kunsthistorikerin, -kritikerin und -schriftstellerin Anna Klapheck ist in Düsseldorf gestorben. Im Mai wäre sie 87 Jahre alt geworden.

Ihr Schreiben über Kunst und Kultur war stets Anteilnahme, aus dem direkten Erleben entsprungen, egal ob es sich um Künstlermonographien handelte oder um Berichterstattung für die Tageszeitung. Anna Klaphecks Beobachtungsfeld war das Rheinland und vor allem Düsseldorf, die Stadt, in der sie seit 1927 gelebt hat. An den von ihr aufgezeichneten Erlebnissen kann der Leser die Vielfalt, die Lebendigkeit und die Tragweite künstlerischer Entwicklungen in dieser Region nachvollziehen.

Zusammengefaßt legte Anna Klapheck ihre Zeitdokumente der Nachkriegszeit 1979 bei DuMont vor: „Vom Notbehelf zur Wohlstandskunst“. In der Bilanz wird ihre besondere Gabe als Chronistin deutlich, die mit ungewöhnlichem Spürsinn für das Außerordentliche ausgestattet war und mit bewunderter Könnerschaft der Vermittlung. Anna Klaphecks Kunstkritik war nie Bevormundung oder trockene Analyse, aber genausowenig Kulissengeplauder. Sie war – und ist es über den Tag der Veröffentlichung hinaus – persönliche Teilnahme, Betroffenheit, Erläuterung.

Ihr Wissen, das sie auch an der Kunstakademie in Düsseldorf zwischen 1952 und 1966 weitergab, hatte sie während ihres Studiums der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie aufgebaut. 1925 promovierte sie bei Richard Hamann in Marburg über den „Heiligen Hieronymus im Gehäuse“. Zwei Jahre nach Abschluß ihres Studiums heiratete die in Erlangen geborene Tochter eines Internisten den Kunsthistoriker und Professor an der Düsseldorfer Akademie Richard Klapheck. Ihr Sohn, der Maler Konrad Klapheck, ist jetzt Lehrstuhlinhaber an demselben Kunstinstitut.

Daß der Düsseldorfer Mikrokosmos sich durchaus ins Allgemeingültige, ins Unendliche weiten kann, belegen die Kunstzeugnisse der Klaphecks. Der geistige Austausch war, nach dem frühen Tod von Richard Klapheck, zwischen Mutter und Sohn eng und beständig, wobei beide totale Selbständigkeit bewahrten. Das waren stets oberste Gebote der Kunstautorin Anna Klapheck: Unabhängigkeit und Liberalität. Offenheit und Beweglichkeit eines geformten und im besten Sinn neugierigen Geistes kennzeichnen ihre Schriften: Die Bücher über „Mutter Ey“ (Droste-Verlag), über Bruno Goller oder Jankel Adler (beide bei Bongers) ebenso wie ihre Tagesartikel.

Im Gedächtnis werden auch die klaren Züge ihres Gesichts bleiben mit jenem erwartungsvollen Ausdruck des Wissen-Wollens; ihre kleinen wie nebenher gesprochenen Bemerkungen, die einem ganz neue Blickrichtungen eröffnen konnten; die Atmosphäre ihres Hauses in der Düsseldorfer Mozartstraße, ihres Gartenzimmers, wo sie zwischen ihren liebsten Büchern und Bildern – fast wie Hieronymus im Gehäuse – bis zuletzt gastfreundlich lebte.

Amine Haase
In: Kölner Stadt-Anzeiger, Nr. 50, 28. Februar 1986