[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

3. 2. 2 Aufbaumuster-Typ: Wiedereingliederung

Der dem Aufbaumuster-Typ Wiedereingliederung entsprechende Film oder Roman besteht im Grunde aus zwei Teilen. Wir befinden uns im Bereich des Aufsteigers. Entscheidend ist, dass der gewisse sportliche Erfolg im ersten Teil ausführlich nachvollzogen wird. Das heißt: Sportfilm oder Sportroman skizzieren hier einen ersten Aufstieg und den anschließenden Ausstieg aus dem Mikrokosmos Sport. Im Gegensatz zu Karriereknick, Variante A oder B, hat der sportliche Erfolg den Protagonisten aber nicht an die Spitze oder an den Zenit seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Es wird, und das ist bedeutsam, die Aussicht auf eine steile Karriere nachgezeichnet. Doch bevor der Protagonist zu Ruhm und Ehre, oder was im sonst lieb und teuer ist, gekommen ist, kann die Karriere auch schon wieder zuende sein. Wir betrachten den ersten Aufstieg und den im Anschluss folgenden Ausstieg aus dem Mikrokosmos Sport sozusagen als Prolog. Er dient einzig und allein zur Dokumentation der sportlichen Klasse. Dass die Karriere nicht weiter fortgeführt wird, kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Hier sind in Bezug auf den/die Protagonisten Verfehlungen aller Art denkbar, es können aber auch Gründe sein, die nicht am Protagonisten selbst festgemacht werden. Das einzig wichtige Kriterium hierbei ist, dass die sportliche Tätigkeit zunächst ad acta gelegt wird: es stellt einen Ausstieg aus dem Mikrokosmos des Sports dar. Gewollt oder ungewollt.

Als Beispiel soll uns hier Der Unbeugsame[83] dienen. Zum Prolog: Roy Hobbs ist ein junger talentierte Pitcher, der mit seinem Manager zu einem Probetraining bei einem namhaften Verein fährt. Im Zug treffen die beiden auf den Sportjournalisten Max Mercy und auf Whammer, der als bester Batter des amerikanischen Baseballs gilt. Die Situation ist ein wenig gespannt, und bei einem Zwischenstopp kommt es auf einer Wiese in der Nähe des Bahnhofs zu einer Wette: Roy will den besten Baseballspieler mit drei Würfen „Aus“ machen[84]. Zur Verblüffung Whammers zischen die Bälle auch nur so an ihm vorbei.[85] Damit stellt der junge Baseballspieler unter Beweis, dass er im Konzert der ganz Großen mitspielen kann, dass ihm eine große Karriere bevorsteht. Doch dazu kommt es nicht: Harriet Bird, die der Wette zugesehen hat, verdreht dem jungen Hobbs zuerst den Kopf, danach die Eingeweide: Sie schießt ihm mit einer Pistole in den Magen, was die sportliche Karriere beendet, bevor sie angefangen hat. Der Schuss in den Magen bedeutet hier also den unfreiwilligen Ausstieg Hobbs aus dem Mikrokosmos des Profisports. Dass sich Hobbs, der in seiner Heimatstadt eine Freundin hat, auf die Avancen der anscheinend verrückten Harriet Bird einlässt, ist eine individuelle Verfehlung, die ihm die erste Chance zunichte macht. Solche moralisierenden Tendenzen muss man in diesem Fall einfach hinnehmen.

Die Wiedereingliederung in den Mikrokosmos des Profisports stellt den zweiten Teil der Handlung dar. 16 Jahre nach jenem Treffen mit Whammer sitzt Roy Hobbs auf der Bank der New York Knights. Es ist sein zweiter Anlauf, um im Profi-Baseball Fuß zu fassen. Es kennt ihn niemand. Er hat in diversen Amateurligen gespielt, doch wird nicht berichtet, ob er da erfolgreich war. Zudem verfügt er über einen sehr schlecht dotierten Vertrag.

Dass er überhaupt bei den Knights seinen ersten Profi-Vertrag erhalten hat, ist  auf die Spannungen zwischen den beiden gleichberechtigten Besitzern des Teams zurückzuführen: Der Richter, der Mann im Hintergrund, stellt Hobbs wohl nur ein, um die Position des Mitbesitzers und Trainers Pop Fischer zu schwächen. Fischer vermutet eine Intrige. Da er in Hobbs eine Schwächung des Teams erwartet, gibt er ihm einen Stammplatz auf der Ersatzbank. Doch generell benötigt er einen Leistungsträger, denn die Mannschaft hinkt den Erwartungen hinterher. Hobbs wird also gebraucht[86]. Und das scheint uns ein weiteres wichtiges Kriterium für diesen Aufbaumuster-Typ zu sein.

Wie beispielsweise auch in Tage des Donners: Hier bringt die Notlage eines ehemaligen Konkurrenten den Protagonisten Cole Trickle[87] wieder ins Cockpit eines Rennwagens zurück. Stockcarfahrer Rowdy Burns liegt nach einem schweren Unfall im Krankenhaus. Er hat ein wandelndes Blutgerinnsel im Hirn und kann daher bei den Daytona 500 nicht für das in seinem Besitz stehende Team an den Start gehen. Ein Start sowie ein Platz unter den ersten fünf sind aber für das Team überlebensnotwendig, um die Finanzierung für die nächste Saison zu sichern.. Er wendet sich daher an seinen alten, arbeitslosen Konkurrenten Cole Trickle, der in seinen Unfall verwickelt war. Außerdem war Trickle derjenige, der Burns, der nach dem Unfall trotz Gleichgewichtsstörungen und einer Trübung des Sehnervs eigentlich weiter Rennen fahren wollte, zu der Untersuchung im Krankenhaus überredet hat. Burns fordert daher einen Freundschaftsdienst ein: „Es gibt nur einen Weg, um meinen Sponsor zurückzubekommen. Ich muss dafür sorgen, dass mein Wagen in Daytona gut läuft. […] Also, verarsch’ mich jetzt nicht, Cole…Oder bin ich Dir etwa nicht gut genug, dass Du für mich fährst?“[88]

Der Unbeugsame erhält seinen ersten Einsatz bei den Profis erst, als die Niederlagenserie nicht mehr zu stoppen scheint. Mit Erfolg: Roy Hobbs schlägt seinen ersten Homerun bei den Profis, die Knights starten damit eine Siegesserie und klettern so langsam aus dem Tabellenkeller nach oben. Roy wird zu einer festen Größe im Team.

Rückschläge kommen: sportlicher und privater Natur. Aber Hobbs bleibt seiner Linie  treu. Der Buchmacher Guss Saints will ihn für seine schmierigen Machenschaften benutzen. Er legt Hobbs nahe, schlechter zu spielen, da er selbst gegen Hobbs wettet. Doch Hobbs lässt sich nicht beirren. Sein Ziel ist klar definiert. Er will mit seiner Leistung zu einem erfolgreichen Spiel seiner Mannschaft beitragen. Daher bleibt er seinen Prinzipien treu. Selbst als er erneut um sein Leben fürchten muss, bringt er seine beste Leistung für das Team. Erpressungsversuche und Bedrohungen bringen ihn nicht von seinem Weg ab. Er liebt das Spiel zu sehr, er kann es nicht verraten. Der Sieg in der Meisterschaft besiegelt am Ende auch den Untergang des Bösen: Der Richter und Guss Saints haben verloren.

Die Rückschlage sind allerdings unserer Meinung nach optional für diesen Aufbaumuster-Typ. Bei Cole Trickle gibt es keine Rückschläge. Er wird zwar noch mehrmals an seinen Unfall erinnert, aber auch hier ist das Ziel des Protagonisten klar definiert: Er muss mindestens unter die ersten fünf kommen. Und hier liegt ein weiteres Charakteristikum für den Aufbaumuster-Typ Wiedereingliederung. Die zu bewältigende Aufgabe ist wesentlich schwieriger als alles, was dem Protagonisten im Prolog Probleme bereitet hat. Roy Hobbs hätte im Prolog ein Probetraining absolvieren sollen, jetzt spielt er verantwortlich um die Meisterschaft mit. Cole Trickle hatte im Prolog zwar ein paar Rennen in der Nascar-Serie gewinnen können, er war aber zuvor noch nie bei einem Klassiker an den Start gegangen. Das scheint ebenfalls ein wesentliches Merkmal dieses Aufbaumuster-Typs zu sein. Der Protagonist muss für sein im Prolog definiertes Talent den Beweis antreten.

Doch es kommt in beiden Fällen besser: Roy Hobbs sichert mit einem Homerun den Knights die Meisterschaft, Cole Trickle wird Sieger der Daytona 500. Es ist das letzte Charakteristikum dieses Aufbaumuster-Typs. Die im Prolog dargestellte Aussicht auf eine steile Karriere kann dann im Sportroman oder Sportfilm am Ende tatsächlich ihre Erfüllung finden.



[zurück zum Inhaltsverzeichnis]

Fußnoten

[83] Der Unbeugsame; OT: The Natural; USA 1983, TriStar.

[84] Im Baseball muss der Schläger (Batter) den vom gegnerischen Pitcher geworfenen Ball in das Feld schlagen, um die Möglichkeit zu bekommen, für sein Team zu punkten. Dem Pitcher ist demnach daran gelegen, dass der Batter seine Bälle nicht trifft. Drei regelgerechte Würfe bedeuten für den Batter das „Aus“.

[85] Hier zeigt sich deutlich, dass Roy Hobbs als Aufsteiger zu betrachten ist. Er hat zwar den besten Baseballspieler der Welt geschlagen, ist aber längst noch nicht dar angekommen, wo er hin will. Bevor Harriet Bird ihm in den Magen schießt, fragt sie ihn: „Roy, willst Du der beste sein, den es in diesem Spiel je gab?“ (Der Unbeugsame; OT: The Natural; USA 1983, TriStar) Er natwortet: „Ganz sicher…“ (Ebd.).

[86] Zunächst ist Fischer zwar skeptisch, doch als er von Hobbs Loyalität überzeugt ist, will er nicht mehr auf den „ältesten Anfänger“ verzichten.

[87] Der Prolog bei Tage des Donners in Kürze: Cole Trickle, der eigentlich nur in kleineren Rennserien Sprintrennen fährt, erhält ein Cockpit in der Nascar-Serie (die Nascar-Serie ist vielleicht mit der Deutschen-Tourenwagen-Serie vergleichbar, hat allerdings in Amerika einen wesentlich höheren Stellenwert. Dort fährt man meist auf Oval-Kursen.). Der Prolog schildert nun Trickles fahrerisches Talent. Zunächst hat er einige Schwierigkeiten, sich mit dem Auto zu arrangieren und vor allen Dingen die Zielflagge zu erreichen. Er lernt, wie Autos abgestimmt werden, wie man taktisch fährt. Er arbeitet viel an sich und kommt so zu den ersten Erfolgen. Sein Ziel ist der Gewinn eines großen Klassikers (die „500 Meilen von Indianapolis“ oder die „500 Meilen von Daytona“). Trickle: „Ich will ganz nach oben!“ (Tage des Donners, OT: DAYS OF THUNDER, USA 1989, UIP) Trickle ist also als Aufsteiger identifiziert. Es wird die Aussicht auf eine steile Karriere beschrieben, doch nach einem schweren Unfall fühlt Trickle sich im Rennauto nicht mehr sicher. Er steigt zwar für ein paar Rennen nochmals in die Serie ein, doch kann er sein Leistungspotential nicht mehr abrufen. Letztlich wird er gefeuert.

[88] Tage des Donners, OT: DAYS OF THUNDER, USA 1989, UIP.



[zurück zum Inhaltsverzeichnis]