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9. Schlussteil

Noch ein paar abschließende Anmerkungen. Wir sind der Meinung, dass durch die Einordnung der Primärtexte und –filme die eingangs aufgestellten Aufbaumuster-Typen ihre erste Bewährungsprobe bestanden haben. Das lässt sich unserer Meinung nach vor allem dadurch belegen, dass diese Aufbaumuster von einzelnen Sportarten, vom Jahr der Veröffentlichung und zumeist auch von der Anzahl der Protagonisten unabhängig sind. Beispielsweise lässt sich Der Läufer ebenso wie „Tore, Punkte, Doppelmord“ in den Aufbaumuster-Typ Kasus I einordnen. Immerhin liegen mehr als 50 Jahre zwischen den Veröffentlichungen der beiden Romane. In erstgenanntem Buch dreht es sich um einen laufenden Sekundaner, im zweiten um einen fußballspielenden Unternehmersohn. Auch das jeweilige Ende der beiden Werke hält unterschiedliche Schicksale für die beiden Protagonisten bereit. Während der Läufer sich opfert, wird Dieter Heidtmann ein erfolgreicher Fußballprofi.

Es soll an dieser Stelle ebenfalls nicht unerwähnt bleiben, dass wir meinen, bei der Betrachtung der verschiedenen Werke folgende Tendenz festgestellt zu haben: Während die sportlichen Helden bzw. Protagonisten der Sportromane in Nazi-Deutschland und in der DDR noch nahezu frei von Charakterschwächen und Fehlern waren, sind die Hauptfiguren in den Büchern und Filmen der Gegenwart durchaus nicht immer perfekt. Während beispielsweise die Helden in den Romanen von Carl Diem und Walter Basan perfekte Repräsentanten des Regimes darstellen, bzw. zu perfekten Repräsentanten werden, und obendrein noch absolut erfolgreiche Sportler sind, ist beispielsweise Alan Sillitoes Jugendhäftling Colin Smith ein weniger vollkommenes Mitglied der Gesellschaft. Auch der Baseballprofi Calvin Laloosh zeigt in Annies Männer Defizite im Umgang mit seinen Mitmenschen, ebenso wie die Eishockeyspieler der Charlestown Ciefs in Schlappschuss das eine oder andere Mal die Grenzen des Erlaubten während des Spiels überschreiten. Solche menschlichen Schwächen offenbaren Georg Binder und Co. in dieser Offensichtlichkeit zu keiner Zeit. Es bleibt also festzuhalten, dass die literarischen und filmischen Sporthelden der Gegenwart wieder Schwächen zeigen dürfen und sogar sollen. Da Schriftsteller und Filmemacher heutzutage nicht mehr die Vorgaben von politischen Institutionen befolgen müssen, sondern sich höchstens nach dem Geschmack von Lesern, Kinobesuchern und Wirtschaft zu richten haben, wird den Protagonisten wieder die eine oder andere Schwäche zugestanden. Durch diese Hinwendung zu mehr Authentizität wird ein nicht zu unterschätzendes Identifikationspotential geschaffen, da schließlich auch der geneigte Rezipient im Regelfall ein gutes Stück von der Perfektion entfernt ist.

Anmerken wollen wir auch noch, dass uns aufgefallen ist, dass in Büchern und Filmen zum Teil verknappte Versionen von Aufbaumustern motivisch eingesetzt werden. Sie zeichnen beispielsweise den Werdegang eines Konkurrenten, Vorgängers etc. nach, nehmen aber keinen Einfluss auf das eigentliche Aufbaumuster. In dieser Arbeit konnten wir ein solches Vorgehen jedoch nicht nachweisen, da sonst der gesteckte Rahmen mit Sicherheit gesprengt worden wäre. Was diesen Punkt anbelangt, würde es sich möglicherweise anbieten weitere Untersuchungen auf den Grundlagen der vorliegenden Arbeit anzustellen.

Probleme in Bezug auf die Aufbaumuster ergaben sich bei der Basis-Interpretation, da die für die Einordnung in das Aufbaumuster wichtigen Text-Tatsachen nicht immer ausreichend für die Basis-Interpretation waren. Im interpretativen Teil musste also die eine oder andere Text-Tatsache ergänzt werden. Wir wollen nicht ausschließen, dass diese Gegebenheit auf Mängel bei den von uns aufgestellten Aufbaumustern hindeuteten kann. Wir sind allerdings der Ansicht, dass sich diese Diskrepanz eher aufgrund der erweiterten Aussage der jeweiligen Werke ergibt. Da Sport in Literatur und Film häufig als Parabel eingesetzt wird, können diese Elemente erst in der Interpretation herausgearbeitet werden.

Einige aufgestellte Aufbaumuster, namentlich Karriereknick — Variante A und Karriereknick — Variante B haben bei der Einordnung der Primärtexte und –filme keine Beachtung gefunden. Wir haben sie dennoch in dieser Arbeit aufgeführt, um einen möglichst breiten Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten des Aufbaus von Sportliteratur und –filmen zu geben. Außerdem hoffen wir, durch die drei Filme, die wir im Hauptteil zur Veranschaulichung dieser Aufbaumuster verwendet haben, einen ausreichenden Beweis für deren Existenz geliefert zu haben. Zudem sei an dieser Stelle nochmals erwähnt, dass von unserer Seite keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird, was die Anzahl und Varianten von Aufbaumustern im Bereich der Sportromane und -filme anbelangt.





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