Fotografinnen der frühen Moderne im Rheinland
Erna Wagner-Hehmke (1905-1992)

Herkunft und Ausbildung

Erna Hehmke wurde am 6. März 1905 in Breslau geboren. Ihr Abitur machte sie am dortigen Augusta-Gymnasium und studierte anschließend zwei Semester Fotochemie an der Universität Breslau. 1924 wurde ihre Begeisterung für die Fotografie durch die Begegnung mit der Fotografin Anne Winterer noch verstärkt. Bald darauf begann Erna Hehmke bei Anne Winterer eine einjährige Ausbildung, die sie mit der Gesellenprüfung und Auszeichnung abschloss. Im Anschluss fuhr sie zu Studienzwecken nach Paris. Dort war sie im „Studio Lorelle“ auf dem Boulevard Bertier tätig, wo sie sich die Technik des Kolorierens aneignete und in der Porträtfotografie weiterbildete. Nach sechs Monaten erfolgte ihre Rückkehr nach Düsseldorf. 1932 legte sie ihre Meisterprüfung ab und heiratete im selben Jahr den Architekten Rudolf Wagner.

Die Lichtbildwerkstatt Hehmke-Winterer

Industriefotografie der 1920er bis 1950er Jahre

Während der schnell fortschreitenden Industrialisierung pflegte Erna Wagner-Hehmke gute Kontakte zu den im Ruhrgebiet und im Rheinland ansässigen Unternehmen, die sie wegen ihrer Professionalität sehr schätzten. Die Aufträge verlangten viele verschiedene Motiv-Dokumentationen. Dazu gehörten z.B. Abraumhalden im Ruhrgebiet, Kokereien, Webereien, Bergwerke, Schlote, Bleckwalzwerke in Bochum, Hallen der Zeche Rheinpreußen oder die Werkstätten der Firma „Krupp“. Ein wesentlicher Teil ihrer Aufnahmen zeigt einzelne Produktionsstationen und Detailelemente, die erst durch die Fotografien richtig zur Geltung gebracht wurden. Hierzu zählen z.B. Bilder von Rohrsystemen, Fässern, Elektrokesseln und anderen Arbeitsanlagen sowie Momentaufnahmen von Arbeitsprozessen und Arbeitern.

Tonröhrenlager einer Wandplattenfabrik in Mettlach (Saar), 1934 [Quelle: Atlantis. Länder/ Völker/ Reisen. 6. Jg., H. 9, Berlin 1934.]
Kalksilos (Wuppertal), 1937 [Quelle: Erna Wagner-Hehmke. Industriefotografien der 30er und 50er Jahre. Ausstellungskatalog des Kulturbahnhofs Eller e.V., Düsseldorf 1989.]

Ihre Arbeitstechnik – „Neue Sachlichkeit“

Erna Wagner-Hehmke forderte von sich selbst eine „Prägnanz und Eindeutigkeit des Dargestellten“. Ihre Fotografien sollten keine Wertungen vorgeben oder kommentierende Funktionen erfüllen, sondern durch Objektivität gekennzeichnet sein, sodass die Auslegung des Bildes im Auge des Betrachters lag. Mit dieser Arbeitsweise bezweckte sie eine bestmögliche Abbildung der Realität. Sie fokussierte sich darauf, das Wesentliche eines Motivs zu erfassen und auch die kleinsten Details ihrer Objekte wiederzugeben. Mit ihren fotografischen Arbeiten verschrieb sie sich der „Neuen Sachlichkeit“, die durch ebendiese Exaktheit in der Formwiedergabe und eine objektive Bildsprache gekennzeichnet ist. Wagner-Hehmke achtete darauf, die Motive in einer natürlichen Helligkeit erscheinen zu lassen und sorgte daher für eine entsprechend lange Belichtungszeit.

Porträt-, Theater- und Kunstfotografie

In der Lichtbildwerkstatt bildeten die Porträtaufnahmen ein wesentliches Tätigkeitsfeld. Sie lichtete viele regional, teils auch überregional bekannte Persönlichkeiten des Jungen Rheinland ab. So entstanden in dieser Zeit Porträtfotos von Mutter Ey, Otto Dix, Tatjana Barbakoff, Louise Dumont und anderen. Auch Gemälde von Malern des Jungen Rheinland – wie z.B. die von Jankel Adler – fotografierte sie. Heute sind ihre Fotos die einzig überlieferten Belege zu vielen verschollenen oder vernichteten Werken von Adler.

Die Theaterfotografie zählte zu einem weiteren Bereich ihrer Arbeit. Sie fotografierte u. a. für das Düsseldorfer Theater unter Louise Dumont in den 1920er Jahren, wenngleich sie diese Motive nicht favorisierte. Denn für die Aufnahmen im Theater musste sie des Öfteren etwas mehr Zeit und Geduld investieren, weil sie ihre Fotos überwiegend während der Proben, aus dem Arbeitsprozess heraus entstehen ließ: „Ich konnte oft die Stücke auswendig, bevor ich ein einziges Foto gemacht habe.“ (zitiert in: Meister, Helga: Fotografie in Düsseldorf. Die Szene im Profil. Düsseldorf 1991, S. 149.) Diesen authentischen Momentaufnahmen gab sie gegenüber gestellten Fotos den Vorzug, da letztere mit ihrem Realitätsverständnis nicht vereinbar waren.

Jankel Adler: Judith. Ölgemälde, 1927/28 (verschollen) [Quelle: Anna Klapheck: Jankel Adler. Recklinghausen 1966, S. 30]
Jankel Adler: Mutter und Tochter. Ölgemälde, ca. 1928 (verschollen) [Quelle: Anna Klapheck: Jankel Adler. Recklinghausen 1966, S. 36]
Jankel Adler: Stehende Frau. Ölgemälde, 1929 (verschollen) [Quelle: Anna Klapheck: Jankel Adler. Recklinghausen 1966, 37]
Xantener Dom, Dachansicht [Quelle: Alfons Welzel: Die Welt des Xantener Domes. Eine Einführung in den Dom der Märtyrer. Düsseldorf 1936]
Xantener Dom: Die Wurzel Jesse, Salomon [Quelle: Alfons Welzel: Die Welt des Xantener Domes. Eine Einführung in den Dom der Märtyrer. Düsseldorf 1936]
Xantener Dom: Im Hochchor: Die Heimsuchung [Quelle: Alfons Welzel: Die Welt des Xantener Domes. Eine Einführung in den Dom der Märtyrer. Düsseldorf 1936]

Geschichte in Bildern: die frühe Nachkriegszeit

In den Jahren von 1948 bis 1950 begleitete Erna Wagner-Hehmke die Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland fotografisch. Sie dokumentierte die Arbeit des Parlamentarischen Rats bei der Entstehung des Grundgesetzes in Bon und lieferte damit auch das Bildmaterial für politische Reportagen. Aufgrund der beträchtlichen Anzahl von Fotos, die sie in diesem Zusammenhang von Abgeordneten und der Arbeit der politischen Organe in der Anfangsphase der Bundesrepublik herstellte, kann sie als fotografische Geschichtsschreiberin der Nachkriegszeit gelten. Das Archiv des Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn beherbergt ca. 4000 ihrer historisch relevanten Fotografien. Im Auftrag des Bundesarbeitsamtes erstellte Erna Wagner-Hehmke in den 1950er bis 1970er Jahren Bildmaterial zu verschiedenen Berufszweigen zu Werbezwecken.

Engagement für den Nachwuchs

Erna Wagner-Hehmke nahm mit ihren Werken wiederholt an Ausstellungen teil, darunter an der „Photokina“, dreimal in Folge in den Jahren 1950-1952. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Ab 1954 engagierte sie sich für die folgenden sechzehn Jahre aktiv in der Ausbildung des fotografischen Nachwuchses und gab u. a. praktischen Unterricht in der Berufsschule am Fürstenwall in Düsseldorf. Neben ihrer Arbeit als Fotografin wirkte sie als Mitglied des Prüfungsausschusses für Gesellen- und Meisterprüfungen und als Vorstands- und Ehrenmitglied der Fotografeninnung.

Die Schließung des Ateliers

Im März 1977 beendete Erna Wagner-Hehmke nach mehr als fünfzig Jahren ihre Tätigkeit als Fotografin, doch erst am 31. Dezember 1986 erfolgte die endgültige Abmeldung der Düsseldorfer „Lichtbildwerkstatt Hehmke-Winterer“. Am 9. Juni 1992 verstarb Erna Wagner-Hehmke 87-jährig in Düsseldorf.

© Frauen-Kultur-Archiv Düsseldorf