Anna Klapheck Textforum

Die Objekte sprechen lassen

Düsseldorfs „Stadtgeschichtliches Museum“ in neuer Gestalt

Das nach mehrjähriger Bauzeit nun in nahezu vollständiger Gestalt neueröffnete „Stadtgeschichtliche Museum“ ist zum ebenbürtigen Partner der übrigen Düsseldorfer Kulturinstitute geworden. Doch hat es eine unbestrittene Sonderstellung. Obwohl es voll ist von Kunst und vom Bau her selbst beinahe ein Kunstdenkmal, will es doch kein „Kunstmuseum“ sein. Und noch weniger ein bloßer Stapelplatz historischer Objekte. Die Kunst soll der Historie dienen, sie farbig und lebendig machen, getreu dem Wort von Jacob Burckhardt: „Jede Zeit schreibt ihre Geschichte in den Kunstwerken, die sie schafft.“

Das Museum blickt auf eine mehr als 100jährige Geschichte zurück. Auf Betreiben der Bürgerschaft wurde es 1874 als „Historisches Museum“ gegründet, großzügige Schenkungen bildeten den Grundstock. So wie es den Namen wechselte, hat es auch sein Domizil häufig wechseln müssen. Die vorausgegangene Unterbringung im Schloß Jägerhof war wohl reizvoll, für die Darstellung historischer Zusammenhänge aber denkbar ungeeignet. Da bot sich der Stadt in den sechziger Jahren die Gelegenheit, den großen, wenn auch stark kriegsgeschädigten Komplex des einstigen Palais der Grafen Spee zu erwerben, der denn auch gleich zur Aufnahme des Museums bestimmt wurde. In mühevoller Arbeit wurde zunächst der um einen Innenhof gelagerte Ostflügel museumsgerecht hergerichtet und 1975 der Öffentlichkeit übergeben. Mit dem völlig neuerbauten Westflügel bietet der gesamte Bau nun ein einheitliches Bild.

Die Darstellung reicht von den Bodenfunden der Vor- und Frühgeschichte bis annähernd zum Jahre 1914. Nach Möglichkeit soll in einem späteren Erweiterungsbau die letzte Phase der Stadtgeschichte veranschaulicht werden. Immer war man bemüht, die Objekte selbst sprechen zu lassen, Schwerpunkte zu setzen, Öffentliches und Privates nebeneinanderzustellen. Vordringlich blieb immer der Gedanke, daß wir uns in einem Privathaus befinden und ein Stück Privatheit in den historischen Ablauf hineinzunehmen ist. Alten Tapetenresten war man auf der Spur, kostbare Möbel wurden erworben, so der Oeder-Schrank und die Salonmöbel aus dem Palais Schaumburg, beides aus der Zeit des Jugendstils. Aber auch aus unbeachtetem Trödel kam manches wirkungsvolle Stück ans Licht.

Wichtig schien es auch, in den Sammlungen die Stadtgeschichte mit der Landesgeschichte zu verbinden. Düsseldorf war die meiste Zeit Sitz der Regierung, eine verzweigte Dynastengeschichte spielt in die Stadtgeschichte hinein. An das bürgerliche Düsseldorf, an die Zeit Jan Wellems, seiner Vorgänger und Nachfolger erinnern die Räume des Ostflügels. Auch hier konnte Neues eingefügt werden. So erstrahlen die nach dem Kriege gefundenen drei Sandsteinfiguren der „Jahreszeiten“ (die vierte fehlt) in neuem Glanz und erinnern an den reichen Skulpturenschmuck der einstigen höfischen Gärten, von dem so vieles durch unglückliche Verkettung später abtransportiert worden ist.

Der neuerbaute Westflügel läßt die Geschichte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts aufleben. Hier klingen Namen und Ereignisse an, die uns noch voll gegenwärtig sind: die von den Bürgern so ungern akzeptierte preußische Verwaltung, die Freiheitsbewegung von 1848 mit dem Namen Freiligrath und Lassalle und die im gleichen Jahr erfolgte Gründung des „Malkastens“. An Heine wird erinnert, wir stoßen auf den Flügel, auf dem Schumann, bereits krank, zuletzt noch gespielt hat.

Wir erleben den Aufstieg Düsseldorfs zur Großstadt und werden immer wieder auf die für die Stadt so charakteristische Verbindung von Kunst und Industrie hingewiesen. Aus zahlreichen Porträts sehen sie uns an: die Wirtschaftsführer und Firmengründer, die Künstler, die der Stadt das Gepräge gaben und zum Ruhm der großen Ausstellungen beitrugen. Noch war es eine intakte Welt, in der sich das Leben abspielte – eine liebenswürdige Sammlung alter Plakate vergegenwärtigt uns, was den Menschen damals wichtig war: Sängerwettstreit, Schützenfeste, Verlosung im Malkasten, aber auch bereits die berühmten Niederrheinischen Musikfeste und die Kunstausstellungen.

Im Erdgeschoß des Neubaus fanden die Denkmäler der Vor- und Frühgeschichte eine neue Unterkunft, eine karolingische Flügellanze gehört zu den seltenen Stücken. Im übrigen gibt es hier einen großen Raum für Sonderveranstaltungen: Zum Auftakt wird das aktuelle Thema „Menschen und Ereignisse der 20er Jahre“ demonstriert. Literatur, bildende Kunst und Musik drängten damals nach neuen Ausdrucksformen und legten den Grund zu unserem modernen Weltbild. Daß die bildende Kunst in der alten Akademiestadt den Vorrang hatte, liegt auf der Hand, und so nehmen die Bilder und Skulpturen aus dem Kreis des „Jungen Rheinland“ und der Künstlergruppe um die resolute Künstlermutter Johanna Ey einen besonders breiten Raum ein. Doch auch die Gesoleibauten, Haus Eulenberg, das Theater der Dumont-Lindemann sind in das großangelegte Spektrum einbezogen. Bis zur Neuorganisation der Kunstakademie unter Kaesbach und zur Berufung von Paul Klee nach Düsseldorf reicht der Bericht.

Bei aller Lebendigkeit der Darstellung will das Museum doch auch eine Studiensammlung sein. In Schubladenvitrinen ist vieles aufbewahrt, was nicht dauernd gezeigt werden kann. Eine Kostbarkeit besonderer Art sind die kolorierten Illustrationen des Graminaeus zur „Jülich’schen Hochzeit 1585“, ein fortlaufender Bildbericht, der nur dadurch zu geben war, daß das seltene Exemplar des Buches zum Zweck der Restaurierung vorübergehend auseinandergenommen wurde.

Gedankt werden muß am Schluß all denen, die in mühevoller Arbeit diesen Museumsbau zum glücklichen Abschluß brachten: an erster Stelle der Leiterin Frau Dr. Meta Patas und ihrer Mitarbeiterin Dr. Irene Markowitz, aber auch den vielen anderen Helfern, die mit persönlichem Einsatz zum Gelingen beigetragen haben.

Anna Klapheck
In: Rheinische Post. Wissenschaft und Bildung, 18. Januar 1978