Anna Klapheck Textforum

Anna Klapheck zum 100.

Wohl war sie eine respekt-, ja ehrfurchteinflößende Person. Aber sie machte nie ein Gewese um sich. Sie baute schlicht auf Qualität – auch die eigene – und wusste daher, daß sie Autorität besaß, ohne sie je herauskehren zu müssen.

Persönlich liebenswert, aber auch ganz salopp, kam sie einfach mal eben in der Redaktion vorbei, ich hab’ was da was für euch, wollt ihr’s?, und behandelte vom Volontär bis zum Ressortleiter alle gleich. Anna Klapheck, heute vor 100 Jahren als Anna Strümpell in Erlangen geboren, war Kunsthistorikerin, Kunstschriftstellerin und Kunstjournalistin, und nie hat sie auch nur im mindesten einen Bruch oder gar Widerspruch in solcher Aufgabenteilung empfunden.

Sie schrieb ein schnörkelloses, ungeschwätziges, ganz lauteres, sozusagen klassisches Deutsch, und die einzigen Verbesserungen, die nötig waren, die brachte sie schon selber im Typoskript an mit ihrer steilen, sauberen Schrift. Kürzbar war da nichts. Es gelang ihr wie wenigen, komplizierte Sachverhalte in klare, so verständige wie verständliche, oft sehr witzige Sätze zu fassen; stets erklärend, nie bloß wertend (was man hätte erwarten können angesichts der scheinbar unkomplizierten Sprache). Sie würde staunen, wenn man das ihr gegenüber als Qualität herausstellte, so selbstverständlich war das. Wie sie. Wie ihre klaren Gesichtszüge hinter dicken Gläsern. Oft zeichnete sie selbst wichtige Artikel bloß mit einem lapidaren „K–k“.

Sie war ein Mensch, eine Denkerin, der Kunst und Kunstgeschichte nicht zerfiel. Vom Hieronymus im Gehäuse (Doktorarbeit, Marburg, 1925) über das Neue Rheinland – beispielsweise – oder Zero bis zu Beuys schlug sie ihren erkennenden Bogen, beweisend, daß Kunsthistoriker von wirklicher Schule und Klasse keine Epochenklüfte kennen, wenn denn jeweils Qualität für sich spricht.

Dürer, Goethe, Ey und Beuys

Klapheck („uns’ Anna“ sagten wir hinter ihrem Rücken) studierte in Leipzig, Berlin und Marburg. In Leipzig, wo sie auch für den C. G. Börner arbeitete, lernte sie den „Insel“-Verlagschef Kippenberg kennen; daraus und aus ihrer Vertrautheit mit dessen großer Goethe-sammlung (jetzt Schloß Jägerhof) erwuchs ihre auch journalistische Beschäftigung mit dem Dichter und dessen Reflexen in Ausstellungen und Vorträgen.

1927 kam Klapheck inzwischen mit dem Kunstgeschichts-Professor Richard Klapheck an der Kunstakademie verheiratet, in diese Stadt. Klapheck mußte 1934 gehen. Ab 1952 lehrte sie dann selbst Kunstgeschichte dort, schrieb über Jankel Adler, Johanna Ey, Ewald Mataré, Bruno Goller. Ihr Ey-Buch bei Droste erreichte vier Auflagen. 1979 veröffentlichte sie einen Band über Kunst im Rheinland nach 1945: „Vom Notbehelf zur Wohlstandskunst“ (DuMont). Für die Rheinische Post schrieb sie ab 1946 bis sechs Tage vor ihrem Tod 1986. Seit langem lehrt ihr Sohn Konrad Malerei an der Akademie.

Anna Klapheck, geboren und gestorben in den selben Jahren wie Beuys – eine weise und humorvoll Wissende. Haben wir von ihr gelernt? Hoffen wir’s. Wie elegant, fair und gedankenreich sie zu formulieren wußte, zeigt ein Satz zum Freund Beuys, dessen Graphik sie sehr schätzte. Sie überantworte es indes der Zukunft, „ob manche seiner Objekte nur Niederschlag schöpferischer Augenblicke sind, ob sie, eng an ihren Schöpfer gebunden, ein überdauerndes Eigenleben gewinnen“ werden.

Sebastian Feldmann
In: Rheinische Post. Düsseldorfer Stadtpost, 12. Mai 1999