Lyrik
Das Ghasel oder die Ghasele (arab. ghazal = Gespinst)

Zur Gedichtform:

Muster: Mohammed Schemsed-din Hafis. 14. Jh., berühmter persischer Dichter
Inhalt: Lobpreis der Liebe und des Lebensgenusses

Struktur:
- Langverse, die aus zwei Halbversen bestehen; der Endreim des 1. Langverspaars bildet den Reim jeder weiteren ‚geraden‘ Langzeile.
- Jede ‚ungerade‘ Verszeile ist eine Waise.
- Vorliebe für reiche Reime, insgesamt nur ein Reimklang:
a a / x a/ x1 a/ x2 a/ x3 a/ etc.
[x als Kennzeichnung der Waise]
- Die Halbverse reimen ebenfalls;
- Die Anzahl der Langverse ist nicht festgelegt (bis ca. 20).

Deutsche Adaption:
- Zumeist kein Reim der Halbverse, sonstige Reimbildung wie beschrieben;
- von Friedrich Schlegel 1803 in die dt. Dichtung eingeführt,
- weiterentwickelt von Friedrich Rückert,
- freie Nachbildung im „West-östlichen Diwan“ (1819) von J. W. von Goethe

Höhepunkt bei August von Platen, z.B. 1821: „Ghaselen“.
Inhaltliche Tendenz in der deutschen Lyrik: Reflexionen, Bekenntnisse, Spruchweisheiten

Beispiel:

Die Knospe sprach: Du siehst, ich bin im Keim erst!
Was spät die Welt entzückt, es ist geheim erst.
Der Vogler sprach: Dir singt die Nachtigall einst,
Laß auf die Rute streichen mich den Leim erst;
Die Biene sprach: Dir wird mein Honiganteil,
Doch aus dem Krokus nipp ich süßen Seim erst;
Ihr sehr mich wandeln ohne Kranz im Haupthaar:
Laß nur die Welt erfahren meinen Reim erst!

(August von Platen: „Ghaselen. 1. Sammlung“ (1821). In: August von Platen: Werke, Bd. 1, München 1982, S. 243)

Der Strom, der neben mir verrauschte, wo ist er nun?
Der Vogel, dessen Lied ich lauschte, wo ist er nun?
Wo ist die Rose, die die Freundin am Herzen trug,
Und jener Kuß, der mich berauschte, wo ist er nun?
Und jener Mensch, der ich gewesen, und den ich längst
Mit einem andern Ich vertauschte, wo ist er nun?

(August von Platen: „Ghaselen. 1. Sammlung“ (1821). In: August von Platen: Werke, Bd. 1, München 1982, S. 247)

 

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