Hulda Pankok Textforum
1982

Otto Pankok.
Gedanken zur letzten Ausstellung 1935 im Westfälischen Kunstverein in Münster 1981

Heute ist es kaum vorstellbar, welcher Mut 1935 dazu gehörte, Otto Pankoks „Passionszyklus“ von 60 Bildern auszustellen. Mit der Ausstellung „Die Westfront 1933“ in Essen wurde die Verfolgung eingeleitet, unterstützt durch Hetzartikel der Nazizeitung „Das Schwarze Korps“.

Pankoks Passionsbilder wurden abgehängt und zuerst nicht durch Bilder anderer Künstler ersetzt. Die leeren Stellen sollten die Künstlerkollegen vor unüberlegten Handlungen warnen.

Wohl war sich Otto Pankok über seinen geringen Einfluss klar und über seinen einsamen Posten, dennoch wollte er seinen Widerstand nicht aufgeben. Er schrieb darum an den Reichsleiter Alfred Rosenberg:

Sehr geehrter Herr Rosenberg,

Einer Ihrer Mitarbeiter in der Reichsleitung des Kampfbundes für deutsche Kultur, Herr Dr. Eckart, war in diesen Tagen in Essen, um die aufgehängten Bilder vor der Eröffnung der Ausstellung „Westfront 1933“ zu begutachten. Auf Befehl des Herrn Dr. Eckart wurden meine Bilder aus der Ausstellung entfernt:

  1. Einzug in Jerusalem.
  2. Christus in Gethsemane.
  3. Christus wird gegeisselt.
  4. Kreuzabnahme.
  5. Pieta.

Dieses Vorgehen gegen meine aus reinem Herzen entstandenen Werke könnte ein Vergehen gegen einen Maler sein. Es ist aber mehr. Ich bin mir mit allen Menschen, die meinen Zyklus sahen, bewußt, daß in diesen Bildern eine Tradition aus der reinen und schönsten deutschen Vergangenheit wieder auflebte. Wenn diese meine Bilder das Licht des Tages scheuen müssen, dann muß auch die große Vergangenheit ausgelöscht werden, dann muß das Volk vor Cranach, Dürer, Grünewald und Konrad Witz geschützt werden. Dann sind die Dome und Museen zu schließen.

An die Stelle meiner Christusbilder ersuchte mich Herr Dr. Eckart Landschaften zu hängen. Dieses Ansinnen zeigte mir, daß es ihm darauf ankam, das Bild der Ausstellung zu verharmlosen, den Anblick großen, ewigen Geschehens auszumerzen zugunsten angenehmer Lyrik. Ich bin aber des Glaubens, daß es ein Irrweg ist, wenn ein Künstler inmitten einer Zeit voll ungeheurer Aktivität und ungeahnten Geschehens, sich privaten lyrischen Gefühlen hingibt, und diese Dinge im Volk weitergibt, ihm damit sagend, daß die Kunst abseits vom Leben und von den geschichtlichen Vorgängen steht, daß sie harmloses Spiel sei und nicht der Extrakt der Zeit, wie sie es in Jahrtausenden vor uns gewesen ist.

Sollen sich die Künstler weiterhin vor dem deutschen Spießer beugen und ihre Lebensarbeit darin sehen, ihm seine Kleinbürgerwohnung mit hübschen Stillleben und Sonnenuntergängen zu dekorieren, so ist Herr Dr. Eckart auf dem richtigen Wege gewesen. Sieht man in der Kunst aber einen Niederschlag des großen Lebens und der großen Ideen der Zeit, sollen in ihr die Mitlebenden sich selbst, ihre Freuden und Leiden, Klärung und Tröstung finden, so geschah hier Unrecht und Sünde gegen den Geist der Kunst, und gegen das Volk.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Otto Pankok

Der Erfolg dieses Briefes war der Ausschluß aus vielen künstlerischen Gemeinschaften. Die staatlichen Museen wurden schon überwacht. Pankok fand keinen Raum mehr, wo er sein Werk zeigen konnte.

Doch in dieser Situation meldete sich zu Pankoks Überraschung Professor Wackernagel vom Westfälischen Kunstverein in Münster und Dr. Kruse, Direktor des Museums in Mülheim-Ruhr. Sie teilten ihm mit, daß sie noch eine Ausstellung wagen wollten.

Inzwischen hatte auch der Verleger Kiepenheuer, Berlin, sich bemüht, vom damals noch bestehenden christlichen Kunstdienst die Druckerlaubnis zu erhalten. Sie wurde ihm für das Passionsbuch zugesichert, verbunden mit einer finanziellen Hilfe.

Ich fuhr nach Berlin zu Stephan Hirzel, welcher für den Kunstdienst zuständig war. Er rief sofort seine Mitarbeiter zusammen, die von dem Buch begeistert waren. Diese Phantasten waren davon überzeugt, daß sie im christlichen Raum noch zuständig seien. –

Der Kunstverein in Münster verwirklichte jetzt auch die Pankok-Ausstellung und stärkte damit den Mut der Künstler und erlöste sie für kurze Zeit aus der zunehmenden Resignation.

Die nachfolgende Mülheimer Ausstellung wurde sofort geschlossen, so daß die Ausstellung in Münster die letzte Möglichkeit war für Otto Pankok, durch seine Kunst die Menschen anzusprechen. Zehn Jahre, bis 1945, mußte er verstummen.

Inzwischen hatte Kiepenheuer den Druck des Passionsbuches begonnen. Pater Friedrich Muckermann, einer der mutigsten Männer des Widerstandes und ein aufgeschlossener Gelehrter, hatte die Einführung zum Buch übernommen. Doch noch bevor der Text gedruckt war, mußte er emigrieren. Pankok übernahm das Vorwort selbst und damit die alleinige Verantwortung für das Buch.

Das Vorwort begann: „Als die Sonne in dem schwarzen Meer erlosch und kein Stern am Himmel aufging, als die Wolken schwer niederfielen auf die Erde und des Donners Zorn aufbrach, da zitterte ich in der Finsternis. Da ward meine Harfe Klage und meine Pfeife Weinen.“

Und diese Traurigkeit war berechtigt. Das Buch erschien und es wurde sofort verboten. Man hatte gemerkt, welche gefährliche Waffe gegen das Böse dieses Buch zu werden drohte – das von Hand zu Hand weitergeleitet und überall diskutiert wurde.

Die Zeichnungen waren inzwischen in die Schweiz gebracht – nicht in guter Absicht, wie ein Schweizer Maler-Architekt Otto Pankok vorgelogen hatte. Doch eine verantwortungsvolle, verschwiegene Schweizer Kriminalpolizei jagte dem Dieb die Zeichnungen wieder ab und rettete damit die Passionsbilder – ein kleines Wunder.

Einen geringen Teil der Bücher rettete der Drucker Peter Marliani. Er trug in aller Heimlichkeit die Passionsbücher zum Landeshaus in Düsseldorf, wo er der Druckerei vorstand. Mit der Begründung, über die Drucksachen wachen zu müssen, schlief er auf den Büchern, die sein Bett füllten.

Pater Friedrich Muckermann schrieb über Pankoks Passionswerk: „Weltgeschichte ist es in der Tragik, die immer wieder Folterkammern bereithalten wird für die Söhne Gottes, Weltgeschichte, die immer wieder die satanischen Kräfte ins Feld führen wird gegen die göttlichen, Weltgeschichte, die den Erfolg ihrer brutalen Gewalten in Händen hält, und in der doch siegreich bleibt der Mensch der Passion, der aus dem Abgrund der Geschöpflichkeit wieder zum Kind des Schöpfers erhobene, der im Leiden wiedergeborene. – Aber auf dieser Erde wird dieser Sieg immer nur innerlich bleiben; denn noch hat der Fürst der Welt seine Stunde.“

Und Otto Pankok sagt: „Das ist der Schlüssel zur Kunst; die Starken müssen unten gehen, denn sie sind dazu da, die Welt zu tragen“.

In: Westfalen, 59. Bd., Münster: 1981, S. 136-137